Wuppertaler Freizeitareal Scharpenacken: Paradies mit Nebenwirkungen

Wuppertal · Spaziergänger, Sportler, Hundefreunde, Schäfer & Co. Immer wieder gibt es Diskussionen über Konflikte zwischen den vielen Nutzern des Scharpenackens. Eine Bestandsaufnahme.

 185 Hektar grüne Oase mit Konfliktpotenzial: der Scharpenacken.

185 Hektar grüne Oase mit Konfliktpotenzial: der Scharpenacken.

Foto: Simone Bahrmann

Nach dem Abzug der Bundeswehr ging der Staatsbesitz am Scharpenacken an das Land Nordrhein-Westfalen über. Seitdem kümmert sich der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) um das 185 Hektar große Gelände, das als Naherholungsgebiet unter Landschaftsschutz steht, landwirtschaftlich genutzt wird (Schafzucht) und teilweise als Ausgleichsfläche für den Bau der Jugendstrafanstalt und der Landesschulen dient. Ein Dienstleister entsorgt zweimal wöchentlich den Hundekot. Der BLB führt Sicherheitsbegehungen durch.

Durch die 24-Stunden-Öffnung und kostenfreie Nutzung haben die Wuppertaler Bürger hier ein großartiges Erholungsgebiet, jedoch kein offizielles Hundeauslaufgebiet geschenkt bekommen. Das sorgt für Zündstoff: Hier die stark gestiegene Anzahl an Menschen, die wandern, laufen und die Natur genießen, aber als große Familien, Gruppen und Fahrradfahrer riesige Mengen an Müll und Unrat hinterlassen. Auffälliger Hotspot ist der Erich-Hoepner-Ring, an dem am DHL-Depot wartende Fernfahrer nächtigen, sich waschen und das Schmalenhofer Tal als Open-air-Klo missbrauchen.

Dort die Hundebesitzer, die ihren Vierbeinern Auflaufmöglichkeiten gönnen, die es anderswo nicht gibt. Yvonne Wengeler, Vorsitzende der 2011 gegründeten Hundefreunde, fragt, warum ihr Klientel in Wuppertal trotz stattlicher Hundesteuereinnahmen so stiefmütterlich behandelt wird. In der weiten Umgebung ist der Scharpenacken durch die sozialen Medien und digitale Mund-zu-Mund-Propaganda (#scharpenacken) als Hundeparadies bekannt. Die unterschiedlichen Autokennzeichen am Scharpenacker Weg und Erich-Hoepner-Ring sprechen eine deutliche Sprache. Die Parkplatzknappheit ist für Anwohner, auch auf der anderen Seite, der Konradshöhe, ein eigenes unerquickliches Problem. Es wird nicht nur verbotswidrig geparkt, sondern auch vor den Wohnhäusern laut gesprochen. Kontrollen durch das Ordnungsamt wünschen sich die rund 30 „Menschenfreunde Scharpenacken“ um Roman Müllenschläder.

Doch Ordnungsdezernent Matthias Nocke (CDU) hat für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs und die Bestreifung auf dem Landesgelände nicht genügend Personal. Wie der BLB setzt er auf Rücksichtnahme und menschliches Miteinander. Auf den weiten Wiesenflächen genießt der Dauerpächter mit seinen Schafen rechtlich Vorrang. Deshalb sind Hundebesitzer verpflichtet, in Sichtweite der Schafe ihre Vierbeiner anzuleinen. Die Akzeptanz ist wechselhaft. Ansonsten haben die „Hundefreunde Scharpenacken“ vom BLB die Ausnahmegenehmigung bekommen, ihre Vierbeiner unangeleint herumlaufen zu lassen, wenn sie auf Kommandos hören.

Der BLB: „Grundlage für diese Genehmigung war die Zusage der Hundefreunde Scharpenacken, das Miteinander mit Hilfe besonderer (,goldener‘) Regeln zu organisieren und zu kommunizieren, um den Freilauf unter Wahrung dieser Regeln zu erhalten.“ Über dieses Verhalten gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Die Hundefreunde sprechen von einem „guten Miteinander, von wenigen Quertreibern abgesehen“. Allerdings beklagt Yvonne Wengeler, dass nicht erlaubt worden ist, die „goldenen Verhaltensregeln“ an allen Zu- und Ausgängen auszuhängen. Erschwerend kommt hinzu, dass die vereinsangehörigen Hundebesitzer nur einen kleinen Teil der Besucher stellen und die Anmeldezahlen von Hunden bei der Stadt Wuppertal zuletzt um zehn Prozent zugenommen haben – auch durch Corona. Unerzogene Hunde werden zahlreicher. Professionelle Gassigeher und Hundeschulen sind hier übrigens gar nicht zugelassen.

Nach Beobachtungen von Anwohner Roman Müllenschläder nutzen zu viele Hundebesitzer den „Nacken“, wie er den „Scharpenacken“ nennt, und verdrängen andere Besucher: „Mittlerweile sind zu 90 Prozent nur noch Menschen mit Hunden unterwegs. Wir haben das größte Hundeklo der Stadt. Picknicks von Familien mit Kindern sind nicht mehr möglich.“ Er will die Rückkehr zum Leinenzwang und ausschließliche Nutzung der Wege. Und fordert mehr Sauberkeit und das Mitnehmen von Flaschen, Kaffeebechern, Windeln und Hundekot.

Die zwölf vom BLB beschafften und bezahlten roten Kotbeutelspender und Sammelbehälter werden oft falsch genutzt. Yvonne Wengeler, deren Verein die Hundekotbeutel finanziert: „Es sind nicht die Hundehalter, die unsere Sammelbehälter verstopfen.“ Besucher ohne Hunde nutzen nach ihrer Beobachtung die Tonnen gerne auch für sämtliche anderen Abfälle. Diese Dinge verstopfen die Einwurfklappen, so dass die Hundefreunde ständig von Tonne zu Tonne spazieren, um die Klappen wieder freizumachen. Wengeler: „Wir machen Reinigungsaktionen wie seit 2012 den Grün- und Saubertag. Dann füllen 60 bis 70 Müllsäcke einen großen Container.“

Lydia Schultchen, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Wuppertaler Landtagsabgeordneten Dietmar Bell, zitiert den Landesbetrieb BLB: „Der überwiegende Teil der Besucher hält sich an die ausgehängten Regeln für den Scharpenacken. Sicher gibt es leider immer einige, die sich nicht angesprochen fühlen.“

Noch ein grundsätzliches Problem bleibt aber unabhängig von Zuständigkeiten und Rücksichten: Auf der 185 Hektar großen Fläche gibt es keine Ruhebänke und keine Müllbehälter. Da ist es kein Wunder, dass die zwölf roten Hundekot-Tonnen wie die graue Tonne für den Hausmüll für alles benutzt werden ...

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort