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Überfall in Solinger Sparkasse: Wuppertalerin gefesselt

Überfallene Wuppertalerin : „Ich will ihm in die Augen schauen“

Beim Raubüberfall im Keller einer Solinger Sparkassenfiliale war eine Mitarbeiterin der Wach- und Schließgesellschaft zum Opfer geworden. Einer der drei Täter war ihr Kollege – er hatte sich damals fesseln lassen, um den Verdacht abzulenken. Im Leben der 52-jährigen Wuppertalerin ist nichts mehr so, wie es mal war.

Sie macht einfach weiter. Dabei ist nichts mehr wirklich einfach im Leben von Simone Wegener (Name von der Redaktion geändert). Gefesselt und geknebelt. Mit dem Gesicht gegen die Wand gestoßen. An den Haaren gezogen und mit verbundenen Augen über den Boden gezerrt. Am Ende saßen zwei Leute auf ihrem Rücken.

„Ich hatte wirklich Angst“, erzählt die Wuppertalerin vom Überfall vor einem Jahr, der alles verändert hat. Dass ihr Kollege der Drahtzieher war, wusste sie damals nicht. Er hatte neben ihr gelegen im Keller, ihm hatte man die Augen nicht verbunden.

Da hätte sie ahnen können, dass etwas nicht stimmte an der Sache. Während sie geschlagen wurde, hörte sie den Kollegen sagen: „Lasst sie in Ruhe.“ Sie konnte spüren, das die Fesseln nicht allzu fest um die Handgelenke geschlungen waren. Bleib’ um Himmelswillen ruhig liegen: Das sei ihr in diesem Augenblick durch den Kopf gegangen. Dann waren die Räuber weg – mit 520.000 Euro in einer Sporttasche. Damit hätten sie und der Kollege eigentlich den Geldautomaten der Sparkasse am Fronhof füllen sollen.

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Sie löst ihre Fesseln und befreit den Kollegen, wählt den Notruf und berichtet den Polizeibeamten, was passiert ist. Abends sitzt sie mit ihrem Mann am Küchentisch und erzählt alles. Und da waren sie plötzlich, die ersten Zweifel. Der Kollege muss die Täter doch hinter sich gesehen haben, als er die Türe zum Keller der Bank aufschloss? Warum hat er ihr gesagt, dass das Licht im Treppenhaus kaputt sei? Warum sollte sie an diesem Tag mit ihm in den Keller gehen und nicht der bewaffnete Fahrer, der draußen im Werttransporter wartete?

Ihr Mann bittet sie, sich genau zu erinnern. Immer wieder soll sie ihm erzählen, wie das gewesen ist im Keller. Damals ahnt sie noch nicht, dass er sie davor bewahrt, das Erlebte zu verdrängen. Und dass er es sein wird, der ihr wieder zurück in den Alltag hilft.

Noch etwas anderes habe sie damals stutzig gemacht: Niemand hätte wissen können, dass sie an diesem Tag um diese Zeit an der Sparkasse im Fronhof sein werden. Es gibt keinen Rhythmus, nach dem die Bankautomaten angefahren werden. Der Tour-Leiter entscheidet morgens, wann man wo sein wird. Und das war ihr Kollege, der im Keller neben ihr auf dem Boden gelegen hatte.

Den Ermittlungsbeamten war schnell klar, das jemand mit Insiderwissen die Sache geplant haben muss. Sie lassen die Telefone überwachen – am Ende sitzen der Tour-Leiter, dessen Schwägerin und deren Freund auf der Anklagebank. Gegenüber neben ihrem Anwalt sitzt Simone Wegener – sie wollte beim Prozess unbedingt dabei sein: „Ich will ihm in die Augen schauen.“ Sie kannten sich seit Monaten, sie hat ihm vertraut. Dass ein solcher Job gefährlich ist? Ja, darüber habe sie hin und wieder nachgedacht. Aber dass die Gefahr von innen droht? Wer ahnt denn schon so etwas.

Nach fünf Verhandlungstagen verkündet der Richter das Urteil: Der Drahtzieher kommt mit vier Jahren und neun Monaten davon. In seiner Wohnung hatte man 344.000 Euro gefunden. Der Mann, der Simone Wegener im Keller der Bank mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und über den Fußboden gezerrt hatte, wird zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Dessen Lebensgefährtin bekam zwei Jahre auf Bewährung. Mehr als 180.000 Euro bleiben verschwunden.

Simone Wegener sitzt wieder am Küchentisch. Daneben ihr Mann, der ihr kaum von der Seite gewichen ist. Er hat sich mehrere Wochen beurlauben lassen und war bei jedem Verhandlungstag dabei. Am Abend kommt er früher von der Spätschicht nach Hause, weil seine Frau nicht allein zu Hause bleiben kann. Nach der Tat war sie vier Wochen krankgeschrieben. Eigentlich hätte sie länger von der Arbeit fern bleiben sollen. Ihr Mann ermutigt sie, nicht daheim vor sich hin zu grübeln. „Davon wird es nicht besser“, hat er ihr gesagt. Seither arbeitet sie wieder, anfangs im Innendienst.

Als sie Wochen später an einer Schwebebahn-Haltestelle den Fahrkartenautomaten leeren will, steht ein Mann hinter ihr. Verhüllt mit Nikab – einem Gesichtsschleier, den sonst muslimische Frauen tragen. Er fragt nach dem Weg zum Zoo und läuft weg. Der junge Kollege, der Simone Wegener hätte schützen sollen, hatte den Mann nahe an sie herangelassen. Zu nahe – sie bekommt Panik und schreit den Kollegen an.

Mittlerweile geht es besser, auch wenn sie die Bilder im Keller der Sparkasse bis heute verfolgen. Sie geht nicht mehr shoppen. Freundinnen beklagen sich, dass sie nicht mehr mitkommt ins Café. „Sie ist nicht mehr so lebensfroh und fröhlich“, sagt ihr Mann. Er trifft sich nicht mehr mit Freunden, weil sie sich abends fürchtet im Haus. Sie streiten häufiger als früher, aber es hat sie auch einander näher gebracht. Ein Psychologe hat Simone Wegener eine Posttraumatische Belastungsstörung attestiert, monatelang war sie bei ihm zur Traumatherapie in Behandlung. Es wird schon wieder werden, hofft sie...