Familie Bröcker und ihre Agrarwirtschaft 2.0 Über das Gute im Osterei

Wuppertal · Eier legen Hühner, nicht der Osterhase. Geht das auch in romantisch? Ja, und sogar in wirtschaftlich. Auf dem Gut zur Linden stellt sich eine Bauernfamilie in 16. Generation genau dieser Herausforderung.

 Ein wirklich starkes Team: Die Familien um Karl Bröcker (2 .v. l.) und Carsten Bröcker, rechts mit Tochter Inga, Mutter Irmgard und Ehefrau Kathrin, die die kleine Greta im Arm hält.

Ein wirklich starkes Team: Die Familien um Karl Bröcker (2 .v. l.) und Carsten Bröcker, rechts mit Tochter Inga, Mutter Irmgard und Ehefrau Kathrin, die die kleine Greta im Arm hält.

Foto: Gut zur Linden

Familie Bröcker und ihre Agrarwirtschaft 2.0.

Um dieses Ei, wie es da im Hafer liegt, schließt sich ein Kreis. Man würde gerne um seine ebenmäßige ovale Schale zwei rotierende Pfeile malen, die sich ewig drehen und quasi gleichermaßen Symbol für seine Entstehung und Erfolgsgarant sind. Der Motor dieser Pfeile ist Karl Bröcker. Vorsichtig hebt er das Ei aus seinem Nest und hält es zwischen Daumen und Zeigefinger in die Luft. "Sauber, nichts dran", sagt der 68-Jährige. Und fast meint man, in der Stimme dieses Mannes, der seit Jahrzehnten bei Wind und Wetter auf dem Feld steht, schwingt Ehrfurcht mit.

Dieses Ei, das Karl Bröcker gerade hoch hält, hat ein Huhn in Vohwinkel gelegt. Eines von 500 Hühnern, die auf dem Gut zur Linden täglich für etwa frische 450 Eier sorgen. Das tun sie in kleinen Nestern, die sie ganz freiwillig betreten und nach Lust und Laune wieder verlassen. Ihr Leben verbringen sie weitestgehend im Freien, auf den umliegenden Feldern des Hofes an der Gruitener Straße. Nur zum Schlafen, Essen — und zum Eierlegen kehren sie ein, in ihren Stall auf Rädern.

 Ei ei ei ...

Ei ei ei ...

Foto: Wuppertaler Rundschau

Denn die Hühner der Familie Bröcker leben quasi wie Camper. Ihr Zuhause, die Hühnermobile, haben den gleichen Vorzug wie Wohnwagen. Innen eng und gemütlich, draußen die große Freiheit. Und während ihre Bewohner auf der Stange schlafen, zieht Bauer Bröcker ihre Mobile Stück für Stück weiter. Und am nächsten Morgen wartet ein frisches Stück Weide. Zwei Mobile, in die bis zu 300 Hühner passen, rotieren so gemächlich um den Hof herum.

Der Kreis um das Ei aber schließt sich vor allem wegen eines Korns. Die Familie Bröcker baut Dinkel an — im wahrsten Sinne des Wortes — tonnenweise. Und eben dieses Korn von den eigenen Feldern wird an die Hühner verfüttert. Der Dinkel ist die Urform des Weizens. Robust und hochwachsend kommt er mit wenig Düngung und Unkrautbekämpfung aus. Und seine Spreu, also die ausgedroschenen Getreidehülsen, die so wunderbar weich durch die Finger rinnen und aus dem der Bauer gerade dieses eine Ei heben, dient den Hühnern im Hühnermobil als weiche Ablage für ihre empfindlichen Eier.

"Ja, es ist eine Kreiswirtschaft", sagt der Bauer. "Aber diesen Kreis gilt es auch stets am Laufen zu halten." Und damit meint er nicht die riesigen landwirtschaftlichen Maschinen. "Das hier alles", sagt er, und sein Blick schweift über den Hof, dessen Historie bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts reicht, "klappt nur, wenn der Geist des Teams stimmt und die Familie an einem Strang zieht."

Familie, das sind auf dem Hof im grünen Wuppertaler Westen Sohn Carsten, Schwiegertochter Kathrin und die drei Enkelinnen, wie die sechs Monate alte Greta, die gerade auf dem Arm ihrer Mutter in der Bauernstube liegt. Wenn Greta oder eine ihrer Schwester eines Tages in die Landwirtschaft gehen möchten, fände die Mutter das gut.

Während anderswo Bauern um ihre Existenz fürchten, sieht die Familie Bröcker zwar Probleme, aber eine gesicherte Zukunft. "Für mich ist moderne Landwirtschaft, wenn man sich an dem Interesse des Verbrauchers orientiert ", sagt Kathrin Bröcker, die seit zehn Jahren mit auf dem Hof lebt. Und im Fokus dieses Interesses liege eben in Zeiten von Lebensmittelskandalen und Verunsicherung der Konsumenten auch das Ei, das direkt in der Nachbarschaft gelegt wurde. "Die Menschen möchten Nahrungsmittel, denen sie vertrauen können ", sagt die 35-Jährige. Transparenz sei dafür ein Schlüssel und der Grund, warum das Gut zur Linden seine Kunden einlädt, über die sozialen Medien den Betrieb zu beobachten.

Dem Sonnenuntergang draußen vor der Stadt, den niedlichen Lämmern und den fleißigen Hühnern auf der grünen Wiese folgen an die 800 Menschen auf Facebook. Und im eigenen Hofladen wuselt gerade das Ostergeschäft. So schön das bunte Treiben sei, sagt Kathrin Bröcker, freue sie sich aber auch auf ein paar ruhige Feiertage. "Mit der Familie ganz in Ruhe Zeit verbringen." Gut essen und natürlich, Eier bemalen, die die eigenen Hühner, draußen vor der Tür, glücklich gelegt haben.

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