“Gucci-Gang“ Sohn des Prügelopfers: „Gewalt ist zu sehr Alltag“

Wuppertal · Ein Gespräch mit dem Sohn des Mannes, der von Mitgliedern der genannten „Gucci Gang“ fast tot geprügelt wurde.

 Ecevit Polat vor dem Hauseingang seines Vaters.

Ecevit Polat vor dem Hauseingang seines Vaters.

Foto: Wuppertaler Rundschau

„Mein Vater war ein Menschenfreund.“ Ecevit Polat steht an der Treppe, die zu der Wohnung seines Vaters führt und auf deren Stufen den 70-Jährigen der erste Fußtritt an den Hinterkopf traf. Er selbst war zu Hause, am 21. Mai, als ihn die Frau seines Vaters anrief. Er hörte ihr Weinen und dachte an einen Herzinfarkt. Nur langsam erreichte ihn die Wahrheit: sein Vater, fast totgeschlagen, von Kindern.

Heute kennt Ecevit Polat die Szenen aus Erzählungen. Er weiß, dass sein Vater sich vor die Tür rettete. Er hörte von Mädchen, die gerufen haben sollen: „Macht weiter, er bewegt sich noch!“ Und von Menschen, die einfach weitergingen.

Was verändert sich, wenn der eigene Vater von Minderjährigen fast aus dem Leben gerissen wurde? „Ich glaube, dass Gewalt zu sehr zum Alltag geworden ist“, sagt Ecevit Polat, dessen jüngste Tochter acht Monate alt ist. Wenn er an die Täter denkt, spürt er keinen Hass. Nur Fassungslosigkeit. Was hat eine Gesellschaft versäumt, die Kinder zu Tätern werden lässt?

Ecevit Polat selbst wuchs behütet auf. Sein Vater eröffnete 1980 den ersten türkischen Lebensmittelladen Wuppertals. „Griechisch, jugoslawisch, er sprach die Sprachen dieser Stadt. Er erzog uns zu weltoffenen Kindern, die niemals Vorurteile als Erklärung gelten lassen“, sagt der promovierte Theologe. Deshalb erzählt er vor allem von den hellen Momenten dieser Nacht. Von dem Nachbarn Andre Kronenberg, der von der gegenüberliegenden Straße die Szene beobachtete und hinunter eilte. Den Täter festhielt, dabei selber verletzt wurde. Und durchhielt, bis die Polizei eintraf. Von der CDU-Politikerin Rosemarie Gundelbacher, die die Familie so tatkräftig unterstützt.

Und von seinem Vater, der die Augen wieder öffnet und nicht mehr in Lebensgefahr schwebt. Wenn man ihn fragt, ob es ihm gut geht, kneift er zwei Mal die Hand. „Ich spreche über diese Nacht, weil sie eine Debatte losgestoßen hat, die etwas verändern kann“, sagt der Sohn. Damit Menschen wie sein Vater geschützt werden vor solchen Kindern. Und solche Kinder vor sich selbst.

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