Rundschau-Serie „Auf ein Bier“ Alleestübchen: In dieser Kneipe ist Musik drin

Wuppertal · Aus den Boxen perlt Led Zeppelins unvergesslicher Klassiker „Kashmir“. Am runden Tisch kloppt eine Herrenrunde im gesetzten Alter Skat. Und am gemütlichen Tresen zapft das langhaarige Musikszene-Urgestein Horst gerade ein Pils für eine durchaus distinguiert wirkende Dame. Mehr Kontrast als in Wuppertals wahrscheinlich ältester Kneipe geht nicht. Willkommen im Alleestübchen!

 Im Alleestübchen sorgen Horst (l.) und Cornelia Lammert - im Bild mit einem ihrer drei Söhne - für eine ganz besondere Wohlfühl-Atmosphäre.

Im Alleestübchen sorgen Horst (l.) und Cornelia Lammert - im Bild mit einem ihrer drei Söhne - für eine ganz besondere Wohlfühl-Atmosphäre.

Foto: Max Höllwarth

Schon seit dem früheren 19. Jahrhundert wird in dem zweigeschossigen Schieferhaus an der Friedrich-Engels-Allee in Unterbarmen Bier ausgeschenkt. Im 20. Jahrhundert vertranken hier Textilarbeiter von den Südhöhen ihren Lohn, nachdem sie in Elberfeld ihre Ware ausgeliefert hatten. Und im 21. Jahrhundert, ist das Alleestübchen eine Art Familienangelegenheit.

Als Horst Lammert, Universalhandwerker und begeisterter Rock’n’Roller vor zehn Jahren in Rente ging, sagte er sich: „Ich mache lieber ’ne Musikkneipe auf als zu versauern.“ - und übernahm mit seiner Frau Cornelia und Unterstützung der drei Söhne das Alleestübchen. Gemeinsam haben sie die kleine Kneipe einerseits zu einem echten Mekka der Wuppertaler Musikszene mit nahezu wöchentlichen Live-Acts und andererseits zu einem Treffpunkt für ganz unterschiedliche Menschen gemacht.

„Zu uns kommen der Punker und der Rechtsanwalt. Und die unterhalten sich dann miteinander. Zu uns kann jeder gehen, der nett ist“, sagt Horst. Und die mittlerweile zwei Damen am Tresen nicken beifällig: „Hier kann man auch als Frau in Ruhe ein Bier trinken, ohne belästigt zu werden.“

 Das Alleestübchen ist Livemusik-Mekka, Wohnzimmer und ein Stück Heimat für ganz unterschiedliche Menschen.

Das Alleestübchen ist Livemusik-Mekka, Wohnzimmer und ein Stück Heimat für ganz unterschiedliche Menschen.

Foto: Max Höllwarth

Keine Frage: Es braucht nicht lange, um sich im Alleestübchen wie zu Hause zu fühlen. Also schnell noch ein Pilsken anheben, das hier aus den kleinen 0,2-Liter-Gläschen so wunderbar frisch schmeckt, und nochmal den Blick schweifen lassen. An den Wänden hängen Erinnerungsstücke en masse aus allen möglichen Musik-Epochen.

Unter dem Bild mit den Beatles auf dem Zebrastreifen an der Abbey Road sitzt ein Zwei-Meter-Riese im Hillbilly-Outfit mit seiner Freundin. Einen Tisch weiter diskutieren Studenten. Die Skatspieler bestellen eine Runde „Schwatten“, den hausgemachten Lakritzschnaps der Lammerts. Und Horst erzählt von früher. Über die sieben Kneipen, die er in Elberfeld ausgebaut hat. Über die alten Zeiten im legendären Wilhelmstübchen. Und über die alte Fabrik in Remscheid, wo die ganze Familie gewohnt und zusammen Musik gemacht hat.

Heute spielt die Musik im Alleestübchen, das in Künstlerkreisen einen sehr guten Ruf hat. „Die Eintrittsgelder gehen voll an die Bands“, sagt Horst über die Live-Abende, die hier praktisch jeden Samstag auf dem Programm stehen. Reich wird dabei niemand, bei 65 Besuchern ist die Bude nämlich voll. Aber die Atmosphäre bringt’s. Wuppertals international gefragte Blues-Legende Henrik Freisschlader hat hier mal fünf Abende hintereinander gespielt - einfach, weil es so viel Spaß macht.

Und die Lammerts treten dabei nicht auf der Stelle. „Jetzt haben wir das Angebot auch noch mit Jazz erweitert. Das ist super eingeschlagen“, sagt Horst. Pianist Roman Babik hat dafür eigens seinen Flügel ins Alleestübchen gerollt.

Noch’n Pils? Ja sicher! Könnte ein längerer Abend werden. Für Horst wird es das hier öfter. „In der Woche ist auch schon mal um 12 Schluss. Aber wenn Konzerte sind, kann es auch 5 Uhr werden ...“.

Wie lange hält man sowas durch? Für Horst steht fest: „Wir machen et, bis wir umfallen!“ Die Dame am Tresen horcht auf: „Macht dat bitte. Hier isset so schön.“

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