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Interview: Wuppertals OB Schneidewind und Stadtdirektor Kühn

OB Schneidewind und Stadtdirektor Kühn : „Und die menschliche Ebene stimmt auch“

Oberbürgermeister Uwe Schneidewind hat einen neuen Vertreter: Am 24. Oktober i2022 st Sozialdezernent Stefan Kühn zum Stadtdirektor gewählt worden und übernimmt außerdem bis zur Vervollständigung des Verwaltungsvorstandes die Bereiche Finanzen, Personal und Digitalisierung. Wie geht es in dieser Konstellation nach den politischen und verwaltungsinternen Turbulenzen der vergangenen Monate weiter? Rundschau-Redaktionsleiter Roderich Trapp traf die neue Stadtspitze zum Doppel-Interview.

Rundschau: Es wurde viel geredet über Zerwürfnisse im Verwaltungsvorstand. Ganz direkt gefragt: Wie ist denn das Verhältnis zwischen Ihnen beiden?

Kühn: „Gut. Punkt! Ich mache die Arbeit als Dezernent ja schon länger und bin dabei immer eine gerade Linie gefahren: Ich habe in meinen 22 Amtsjahren allen Oberbürgermeistern loyal zur Seite gestanden. Neben dieser formalen Loyalität gibt es bei Uwe Schneidewind und mir aber auch eine breite inhaltliche Basis, auch wenn wir natürlich nicht immer einer Meinung waren.“

Schneidewind: „Und die menschliche Ebene stimmt auch, da ist eine große Offenheit zwischen uns. Bei dem, was auf uns zukommt, bin ich sehr dankbar, jemanden wie Stefan Kühn an meiner Seite zu haben. Er ist ein sehr guter Brückenbauer.“

Rundschau: Weniger gut war zuletzt der Draht zwischen dem Oberbürgermeister und dem jetzt ausgeschiedenen Stadtkämmerer Johannes Slawig. Wie war unter diesen Umständen die Zusammenarbeit an der Stadtspitze?

Kühn: „Ich finde, dass alle extrem professionell mit der Situation umgegangen sind. Beide haben deutlich gemacht, dass die Auseinandersetzung keine Auswirkung auf den Umgang mit Sachthemen hat. Johannes Slawig hat sich ja auch wirklich bis zum allerletzten Tag voll für Wuppertal eingesetzt.“

  • Dr. Stefan Kühn (Archivbild).
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Schneidewind: „Man sollte diesen Konflikt auch nicht überdramatisieren. Im Nachhinein hätte man sicher etwas glücklicher kommunizieren können. Johannes Slawig und ich haben in vielen Themenfeldern gleich getickt.“

Rundschau: Sie treten als Slawig-Nachfolger jetzt auf jeden Fall in große Fußstapfen, Herr Kühn. Mit welchem Gefühl?

Kühn: „Die Schuhe sind tatsächlich riesengroß, vor der Aufgabe habe ich Respekt und auch ein bisschen Bammel. Die Herausforderungen in den nächsten Monaten werden riesig. Die schwerwiegenden Konsequenzen aus dem Krieg in der Ukraine werden erst noch kommen. Sollte es eine Wirtschaftskrise geben, hängen über die Gewerbesteuer da auch die Stadtfinanzen dran. Das kann gesellschaftliche Verwerfungen bringen und auch Teil der Kriegsstrategie sein. Aus meiner Sicht ist das alles ein Angriff auf unsere Werte.“

Rundschau: Wie gehen Sie als aktueller Stadtkämmerer mit dieser Situation um? Es gibt ja noch keinen Haushalt für 2023.

Kühn: „Natürlich hat man selten vor solchen Unsicherheiten gestanden wie jetzt gerade. Eigentlich kann niemand über ein oder zwei Jahre hinweg seriös planen. Mein Wunsch wäre, dass der Rat den Haushalt im März beschließt, sonst haben wir ähnlich wie dieses Jahr kaum Steuerungsmöglichkeiten.“

Schneidewind: „Entscheidend ist dabei auch, dass sich dieses Jahr noch etwas bei der Frage der kommunalen Altschulden bewegt. Die politischen Gespräche dazu laufen ja. Wir brauchen dabei auf jeden Fall einen Impuls aus NRW, ohne den wird sich im Bund nichts bewegen. Ich hoffe mit Blick auf den Bundesrat darauf, dass sich Ministerpräsident Hendrik Wüst da für eine Lösung stark macht.“

Kühn: „Uns läuft bei den Altschulden wegen des steigenden Zinsniveaus auch die Zeit weg. Vor einem Jahr hätte man Finanzierungslösungen noch zu null Prozent hinbekommen und nur tilgen müssen. Die Gelegenheit wurde verpasst.“

Rundschau: Kann sich Wuppertal unter diesen Vorzeichen denn überhaupt noch irgendetwas leisten?

Kühn: „Dafür müssen wir die Chancen ergreifen, die uns das Land bietet. Dieses Jahr hat Wuppertal durch Corona 35 Millionen Euro und durch die Ukraine-Flüchtlinge vermutlich 15 Millionen Euro Kosten. 2023 rechne ich da über den Daumen noch einmal mit insgesamt 50 Millionen Euro. Diese Beträge dürfen wir in einer Art Schattenhaushalt isolieren, dann hätten wir einen ansonsten ausgeglichenen Haushalt und etwas Spielräume.“

Schneidewind: „Für uns ist dabei sehr wichtig, Signale in Richtung Gestaltungskraft zu senden, und zwar mit Blick auf die Personalsituation auch an die Verwaltung selbst.“

Rundschau: Es fehlt ja praktisch überall Personal. In welchen Bereichen wollen Sie denn da die Prioritäten setzen?

Schneidewind: „Wir haben Mehrbedarfslisten, die eine gute Grundlage für die Planung des 23er-Haushalts sind. Um den Termin im März zu schaffen, möchten wir früh mit der Politik darüber ins Gespräch kommen, wo wir in Personal investieren wollen.“

Kühn: „Wir spüren heute natürlich die Folgen von 20 Jahren Personalabbau. Ich erinnere mich noch daran, dass die Stadt vor Jahren sogar wegen der Haushaltslage gar nicht ausbilden durfte. Das ist jetzt der späte Fluch der schlechten Tat: Heute können wir nicht einmal die Rettungsringe ergreifen, die uns das Land und der Bund in Form von Förderprogrammen zuwerfen, weil uns Personal für die Erarbeitung der Anträge fehlt, während Städte wie Münster mit ihren großen Planungsstäben die Mittel abgreifen. So wird die Schere zwischen armen und reichen Städten noch größer. Da müssen wir gegensteuern. Und man weiß ja auch nicht, welche Aufgaben sonst noch kurzfristig auf uns zukommen könnten. Bekanntlich wird gerade über die Ausweitung des Wohngelds diskutiert. Da könnte es plötzlich dreimal so viele Berechtigte geben wie bisher. Wer soll das auf lokaler Ebene umsetzen?“

Rundschau: Trotz dieser vielen Problemlagen wurde die BUGA 2031 aufs Gleis gesetzt. Wie kann es unter diesen Vorzeichen damit weiter gehen?

Schneidewind: „Es gibt ja den Grundsatzbeschluss, jährlich 1,5 Millionen Euro dafür in die Hand zu nehmen. Dass Wuppertal sich das zutraut, hat Signalwirkung in Richtung Land – gerade auch, wenn es um Fördermöglichkeiten geht. Und ein oder zwei Stellen für Radverkehrsplaner in der Verwaltung hätten ja auch Effekte über die BUGA hinaus.“

Kühn: „Uns eint die Überzeugung: Wenn man sich auf den BUGA-Weg macht, dann muss man auch die Gelingensbedingungen dafür schaffen. Dafür brauchen wir eine gut aufgestellte örtliche BUGA-Gesellschaft und auch zusätzliches Personal bei der Stadtverwaltung.“

Rundschau: Der Ton zwischen Oberbürgermeister und der neuen politischen Mehrheit aus SPD, CDU und FDP im Rat war zuletzt sehr rau. Wie gehen Sie damit um, Herr Schneidewind?

Schneidewind: „Da ist sicher auch viel dem Trennungsschmerz nach dem Bruch des schwarz-grünen Bündnisses geschuldet. Ich glaube aber, dass sich das 2023 wieder regelt. In Schlüsselfragen gibt es zwischen mir und den Fraktionen durchaus viel Einigkeit.“

Rundschau: Keine Einigkeit herrschte allerdings über die künftige Struktur der Verwaltungsspitze. Die Ratsmehrheit hat beschlossen, den bisherigen Geschäftsbereich von Johannes Slawig aufzuteilen und ein zusätzliches Dezernat für Personal, Digitalisierung und Wirtschaft zu schaffen. Wuppertal sucht also jetzt zwei Beigeordnete, wobei das Finanzressort der SPD und das Personalressort der FDP zufallen soll. Wozu wird das führen?

Kühn: „Dezernentinnen und Dezernenten sind nicht die Ausführungsorgane einzelner Fraktionen. Sie sind dem gesamten Rat verpflichtet, leiten zusammen mit dem Oberbürgermeister die Verwaltung und engagieren sich für alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. In den Bereichen, die ich verantworte, war der Konsensgedanke zwischen der Verwaltung und den Fraktionen im Sinne der Sache immer groß. Und das war wichtig. Ich wäre – auch im eigenen Interesse – sehr froh, wenn wir schnell zwei geeignete Menschen für die beiden Positionen finden. Und das sollten dann gerne ein oder zwei Frauen sein.“

Schneidewind: „Wenn sich Stefan Kühns Haltung mit Qualifikation und einem Schuss Diversität verbindet, dann freue ich mich auf die neuen Besetzungen. Am 9. November findet die konstituierende Sitzung der Findungskommission statt, danach kann die Stellenausschreibung formuliert werden. Und dann kommt es bei der Zeitschiene natürlich auch darauf an, ab wann potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten verfügbar sind.“