Interview mit ADFC-Vorsitzendem Lorenz Hoffmann-Gaubig "Außerhalb der Trasse ist praktisch nichts passiert"

Wuppertal · Macht das Radfahren in Ihrer Stadt Spaß oder Stress? 120.000 Deutsche haben bei einer Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) darüber abgestimmt und die Fahrradfreundlichkeit in 539 Städten und Gemeinden bewertet.

 Lorenz Hoffmann-Gaubig.

Lorenz Hoffmann-Gaubig.

Foto: Manfred Bube

Wuppertal gehört dabei zu den absoluten Aufsteigern. Der regionale ADFC sieht das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Rundschau sprach darüber mit dem Vorsitzenden Lorenz Hoffmann-Gaubig.

Vom letzten Platz beim vorletzten Klimatest hat sich die Stadt bereits 2014 nach vorne gearbeitet und 2016 erneut einen riesigen Sprung nach oben gemacht: Unter den Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern rangiert Wuppertal in NRW bereits auf Platz 3.

Rundschau: Platz 3 beim Fahrradklima-Test. Knallen bei Ihnen jetzt die Korken?

Hoffmann-Gaubig: Es freut uns jedenfalls sehr, wie stark das Thema des Radfahrens in den letzten Jahren in unserer Stadt an Bedeutung gewonnen hat. Das Schlüsselprojekt Nordbahntrasse, quasi der erste Radschnellweg in NRW, hat einen großen Schub bei der Wahrnehmung des Fahrrads als Verkehrsmittel in unserer Stadt ausgelöst. Im Alltags- und Freizeitverkehr wird das Rad viel häufiger genutzt als in der Vergangenheit. Regelmäßig sind Fahrradthemen Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Die Bevölkerung der Stadt empfindet die Nutzung des Fahrrads immer stärker als echte Alternative. Insbesondere die starke Zunahme von Pedelecs erschließt dabei auch die Routen innerhalb der Stadt, die bisher aufgrund der Topographie nur von eingefleischten Radnutzern befahren wurden. Leider gibt es aus unserer Sicht aber auch eine Kehrseite der Medaille...

Rundschau: Nämlich?

Hoffmann-Gaubig: In Wuppertal ist tatsächlich außerhalb der Bahntrassen bezüglich der Infrastrukturentwicklung in den letzten Jahren praktisch nichts mehr passiert. Seit dem Klimatest 2014 gab es in der Stadt keine größere Baumaßnahme mehr. Die massiven Mängel bei der Vernetzung bestehender Radverkehrsanlagen bleiben unverändert. Immer noch tut sich die Politik der Stadt extrem schwer, über eine Neuaufteilung von Verkehrsraum, zugunsten besserer Bedingungen für Radfahrer nachzudenken.

Rundschau: Aber der Stadtrat hat doch die "Fahrradstadt 2020" inzwischen offiziell als Ziel beschlossen.

Hoffmann-Gaubig: Ja, aber immer noch gilt eher der Grundsatz, dass Fahrradförderung zwar jederzeit willkommen ist, die Maßnahmen aber nichts kosten und auf keinen Fall die Bedingungen für den motorisierten Individualverkehr beeinträchtigen dürfen. Es gibt auch keinen Haushaltstitel für die Förderung von Radverkehrsmaßnahmen. In vergleichbaren Kommunen ist als regelmäßiges Budget zwischen 1,50 und 3,50 Euro je Einwohner üblich. Das würde in Wuppertal einem jährlichen Etat zwischen 525.000 und 1,25 Millionen Euro entsprechen. So ist es kein Wunder, dass die Schließung bestehender Lücken im Radverkehrsnetz nicht vorankommt. Über die tatsächlich intensiv vorangetriebene Freigabe von Einbahnstraßen für Radverkehr in Gegenrichtung hinaus ist nichts umgesetzt worden.

Rundschau. Die Stadt arbeitet immerhin gerade an einem neuen Radverkehrskonzept. Bei der Auftaktveranstaltung haben 130 Interessenten Anregungen gesammelt. Macht Ihnen das Hoffnung?

Hoffmann-Gaubig: Die große Resonanz freut uns natürlich. Zu befürchten ist aber, dass bei gleichbleibender personeller und finanzieller Ausstattung ein solches Radverkehrskonzept keine Chance auf Umsetzung hat. Nur eine einzige Teilzeitkraft, die zudem auch noch für die Belange des Fußgängerverkehrs zuständig ist, kann schon von der Arbeitskapazität keine umfassenderen Maßnahmen in Gang bringen. Hier muss in der Stadt daher zwingend eine grundsätzliche Neuausrichtung erfolgen.

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