Leserbrief „Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“

Betr.: Verkehr in der Hünefeldstraße, dazu Leserbrief

 Symbolbild.

Symbolbild.

Foto: Rundschau

Sehr geehrte Frau Schmidt / sehr geehrter Herr Schmidt,

Sie bemängeln in Ihrem Leserbrief zu Recht das Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer, wenn sie sich diese „selbst ausdenken“. Nur wundert mich schon, dass Sie drei Absätze weiter in aller Deutlichkeit und als wäre es selbstverständlich beschreiben, dass Sie das Gleiche tun, indem Sie dem Fahrer vor Ihnen „Zeichen machten, dass er sich doch bitte an 50 halten soll“.

Was meinen Sie mit „sich an 50 halten“? Offensichtlich haben Sie sich die Regel „selbst ausgedacht", dass die grundsätzlich innerorts maximal zulässigen 50 km/h gleichzeitig eine Mindestgeschwindigkeit darstellen; und an diese Regel haben sich bitteschön auch alle anderen zu halten. Wie „machen“ Sie denn diese „Zeichen“? Mit der Lichthupe? Ist das denn kein Drängeln? Zumindest als übergriffig halte ich solch ein Verhalten.

Ich bin in der Vergangenheit sehr oft durch die Hünefeldstraße gefahren und muss zugeben, dass ich dort immer langsamer als 50 km/h unterwegs war. Warum? Nicht, weil mir nicht bewusst war, mich außerhalb einer Tempo-30-Zone zu bewegen, sondern weil ich aufgrund der sehr engen Bebauung und der Tatsache, durch parkende Autos querungswillige Passanten (insbesondere Kinder!) recht spät erkennen zu können, 50 für eine dort unangepasste Geschwindigkeit halte – auch schon vor der Freigabe des Radverkehrs entgegen der Einbahnstraße. Möglicherweise waren die von Ihnen bedrängten Verkehrsteilnehmer zur selben Einschätzung gekommen.

Die Hünefeldstraße hat durch ihren Charakter als Wohnsammelstraße nicht nur Funktionen für den fließenden Verkehr zu erfüllen, sondern - man erkennt es durch „Augen auf im Straßenverkehr“ anhand der oben beschriebenen parkenden Fahrzeuge – auch dem Ziel- und Quellverkehr. Oder anders ausgedrückt: Warum kamen Sie beim Nachfahren des für Sie zu langsamen Verkehrsteilnehmers nicht auf die Idee, dass dieser nach einer Möglichkeit zum Abstellen seines Fahrzeuges sucht? Haben Sie schon mal bei Tempo 50 Ausschau nach einer freien Parklücke gehalten?

Die Einbettung der Hünefeldstraße in die Wohnbebauung mit Spielplätzen und kreuzenden Wegebeziehungen (Kindergärten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, ÖPNV-Haltestellen aber auch das auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkende Auto) schafft nun mal den Bedarf, dass Zufußgehende die Fahrbahn queren; die Verkehrswissenschaft nennt dies Querungsdruck. Da ist Tempo 30 schon verträglicher als 50 und aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, dass dies in Wohngebieten verstärkt behördlich angeordnet wird. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist bei Ihnen doch hoffentlich keine Ideologie, sondern ein Menschenrecht.

Anhand der Faustformeln zum Reaktions-, Brems- und Anhalteweg, die wir in der Fahrschule lernen durften, kann man den Unterschied zwischen 30 und 50 für die Verkehrssicherheit sehr eindrücklich nachrechnen: Der Anhalteweg aus 50 km/h beträgt ganze 40 m (acht Autolängen!) inklusive eines Reaktionsweges von 15 m (immerhin noch drei Autolängen!); der Anhalteweg aus 30 km/h misst mit 18 m nur unwesentlich mehr als der Reaktionsweg aus 50 km/h – das bedeutet, wo bei Gefahr ein Auto aus Tempo 30 bereits zum Stillstand gekommen ist, hat ein Pkw aus Tempo 50 gerade erst mit dem Bremsen begonnen ...

Sie fragen in Ihrem Leserbrief zu Recht, „ob überhaupt noch über Straßenverkehrsordnung nachgedacht wird“. Ihnen möchte ich dabei den § 1 aus derselben ans Herz legen, in der die „ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ gefordert wird. In diesem Sinne schließe ich mich Ihrer Forderung nach „Augen auf im Straßenverkehr“ an und erlaube mir zu ergänzen: Nehmen Sie dabei bitte auch die Bedürfnisse der anderen Beteiligten vor sowie rechts und links von Ihnen ebenfalls in den Blick!

Peter Reinbold

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