Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ Türen auf, Türen zu – Tohuwabohu

Wuppertal · Umjubelt war sie, die Premiere der Neueinstudierung von Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ in der Inszenierung von Joe Hill-Gibbins. Mit einem voll klingenden Sinfonieorchester unter der Leitung von Patrick Hahn – und mit einem großen Ensemble, das Oper und Schauspiel verschmolzen hat.

 Keine Angst: Am Ende kriegen sich Susanne (Ralitsa Ralinova) und Figaro (Sebastian Campione) ja doch.

Keine Angst: Am Ende kriegen sich Susanne (Ralitsa Ralinova) und Figaro (Sebastian Campione) ja doch.

Foto: Bettina Stöß

Auf einer bis auf vier sich ständig öffnende und wieder schließende Türen weißen, leeren und hochfahrbaren Bühne (Johannes Schütz) entfaltet sich das volle Panorama einer Männer-und-Frauen-Geschichte, die nicht nur voller Durcheinander-Facetten steckt, sondern auch vor Generationenunterschieden keinen Halt macht.

Kammerdiener Figaro und Susanna wollen heiraten. Der Graf als Landesherr möchte, weil ihm Susanna so gut gefällt, das eigentlich (von ihm selbst) schon abgeschaffte „Recht der ersten Nacht“ wiederbeleben. Das gefällt Susanna nicht, Figaro ebenso wenig – und des Grafen Frau ist auch nicht begeistert. Der junge Cherubino ist verliebt in alles, was nicht bei „drei“ auf dem Baum ist – und fast alle auch in ihn. Die bereits ältere Marcellina ist außerdem verliebt in Figaro, der ihr Geld schuldet – und, und, und ...

Kurz gesagt: Hormone, Gefühle, Beziehungen – hier kommt manches in Bewegung, dessen stets folgenreiche Bedeutung sich von der „Figaro“-Uraufführung 1786 bis heute eigentlich nicht verändert hat – und wohl auch niemals wird.

Während die wahrlich turbulente Tohuwabohu-Handlung dem Auge ständig etwas Neues zu bieten hat, man sogar einen Fenstersprung auf eine dicke Klassiker-Turnmatte zu sehen bekommt, reiht sich eine Verwirrung an die nächste Verwicklung, läuft das Ganze unter Volldampf auf den Showdown zu: Die Gräfin wird als Susanna verkleidet, trifft ihren eigenen Mann, der nicht weiß, dass sie es ist, im Garten – und haarscharf kommt doch noch alles ins Lot. Alle, die zueinander gehören, bekommen einander. Puh ...

Das vielköpfige Ensemble präsentiert sich in bester Laune und verknüpft seine stimmliche Stärke und Präsenz mit echter Schauspiellust in Sachen Gestik, Mimik und augenzwinkernder Komik. Ganz vorne mit dabei die Klang-blitzende Ralitsa Ralinova als Susanna, Simon Stricker als Graf Almaviva, der sich mit starker Stimmbandbreite im Spinnennetz seiner Gefühle verfängt und doch wieder in die Arme seiner Gräfin (intensiv: Réka Kristóf) zurückfindet – sowie natürlich Sebastian Campione, der seinen Figaro so singt, dass man ihm stundenlang dabei zuhören (und genauso zusehen!) möchte.

Die Inszenierung hängt in den letzten etwa zwölf Minuten vor der Pause spürbar, fängt sich aber wieder. Dann präsentiert dieser Wuppertaler „Figaro“, der ja schon von 2019 stammt, im zweiten Teil über einige Strecken sogartige Klang- und Tonräume. Mozart-Musik, Stimmenvielfalt und das Lichtfarbenspiel auf der Bühne, das in manchen Momenten an die Light-Art von James Turell erinnert, verbinden sich zu einem warmen, tiefen Erlebnis.

Dass das Publikum währenddessen viel darüber lernt, wie Männer und Frauen so sind (ja, wie denn eigentlich? Endloses Thema!), wie’s klappt und warum auch nicht, sowie dabei quasi als „running gag“ immer wieder rasante Tür-auf-Tür-zu-Choreografien genießen kann, macht den Drei-Stunden-Abend rund.

Begeisterter Applaus mit vielen Bravo-Rufen. Absolut verdient.

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