Es sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, die dem Matrosen Ismail, Kapitän Ahab, Pip, dem Wahn und den Fragen nach Rache, Gott, Tod, Leid, Einsamkeit und Gefühlen eine Stimme geben.
Es ist die Musik, die eindringlichen Wiederholungen des Gesangs, das Tempo und eine einsame Zartheit, die den Wahn vermitteln. Es sind die gewaltigen Bilder, die hoffnungslose Dunkelheit und das finstere Weiß, die alle Vorstellungen zur unbändigen Angst werden lassen.
Durch die Bilder von Filmemacher und Beinahe-Oscar-Gewinner Frank Petzold („Im Westen nichts Neues“) mit dem Bühnenbild von Tony Cragg fühlt es sich im Visiodrom an, als säße man mitten im Schiff, zwischen den tropfenden Tauen und den knarrenden Balken der „Pequod“. Als würden die wahnsinnigen Befehle des Kapitäns auf seinem Rachefeldzug gegen den weißen Pottwal auch für das Publikum gelten, als gäbe es kein Entkommen, weil wir alle im selben verdammten Boot sitzen: „Alle sind wir Mörder, zu Lande und zur See.“
Als folgten wir dem Schicksal, als zögen sich die Schlaufen der Hanftaue zu, als jagten wir selbst die Wale, um unsere Öllampen zu befeuern. Als würde nicht nur die Crew, sondern wir alle bis in unsere Träume vom weißen Wal verfolgt – obwohl wir ihn verfolgen.
„Ahab denkt nicht, er fühlt nur“, tönt das Echo durch das Visiodrom, verleiht ihm eine mechanische Stimmung, unheilvoll, unnatürlich. Auf diese Schicksalsfügung steuert die „Pequod“ geradewegs zu, das Lachen des Schiffjungen Pip verhallt in gnadenloser Hoffnungslosigkeit, man sieht ihn noch untergehen. Wie so viele andere Seeleute und Walfänger, denen das Meer Leichentuch und Sarg wurde.
Luise Kinner, Ingeborg Wolff, Bernd Kuschmann und Pierre Siegenthaler lesen die Texte an hölzernen Kisten, die als Tisch dienen. „Fragile“ steht darauf.
Das Musikerinnen und Musiker des Schönberg-Ensembles von der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal, unter der Leitung von Werner Dickel ziehen das Publikum durch die Geschichte, führen es von Tiefpunkt zu Tiefpunkt in der verhärteten Gefühlswelt des Kapitän Ahab. Die Sängerinnen verstimmlichen den Wahn auf die klarste Weise, die Celli geben ihm die Tiefe des unruhigen Ozeans, das ganze Konzert ebnet den Weg in die Finsternis auf dramatische, doch stimmige Weise.
Der Höhepunkt des Abends ist die Beschreibung des Farbtons Weiß, als Luise Kinner liest und Alexander Balanescu zart und verloren die Violine spielt, die malerischen Wort-Bilder auf die klanglichen Gefühle der Musik treffen, rührend und verzweifelnd zugleich. Und dann taucht er auf, der gefürchtete und doch erhoffte weiße Wal, das Objekt des einsamen Wahns Ahabs, der ausruft: „Oh Moby Dick, nun endlich kralle ich mich in dein Herz!“ Es ist das Letzte, was der Kapitän tut, „denn diese Reise ist zu Ende“. Einzig Ismail überlebt.