Wohngruppen der Diakonie Wuppertal Ein sicheres Zuhause auf Zeit

Wuppertal · Fast 60 Kinder und Jugendliche leben in den Wohngruppen der Diakonie Wuppertal – weil ihre Eltern aus ganz verschiedenen Gründen nicht für sie sorgen können. Die einen bleiben nur kurz. Die anderen werden hier erwachsen. „Wir bräuchten viel mehr solcher Angebote“, weiß Einrichtungsleiterin Silke Angenendt.

Die Kinder und Jugendlichen sollen zur Ruhe kommen.

Foto: Heilpädagogische Tagesgruppe Phönix / Suzana Bark

Die Lage zu Hause hatte sich zugespitzt. Von jetzt auf gleich brauchten die drei Geschwister einen Zufluchtsort. Ein Bett, ein warmes Essen. Und Menschen, die sich kümmern würden. „Das Jugendamt rief an und fragte nach freien Plätzen in unseren Wohngruppen“, erzählt Silke Angenendt. Sie leitet den Bereich (teil-)stationäre erzieherische Hilfen bei der Diakonie Wuppertal Kinder, Jugend, Familie gGmbH.

An diesem Tag konnte sie grünes Licht geben. Also machte sich die Mitarbeiterin des Jugendamtes mit den Kindern auf den Weg. „Wir kennen nicht immer den Rucksack, den die Kinder mit sich schleppen müssen“, erklärt Silke Angenendt. Eines aber haben die jungen Menschen gemeinsam, wenn sie in den Wohngruppen ankommen: Sie können aktuell nicht Zuhause leben. So ging es auch den drei Kindern, die ihr Zuhause so plötzlich verlassen mussten. „Wir haben ihnen die Wohngruppen und ihre Zimmer gezeigt und nach ihrem Lieblingsessen gefragt“, erzählt Silke Angenendt, „sie bekommen ein sicheres Zuhause auf Zeit.“

Die Räume sind praktisch eingerichtet.

Foto: Heilpädagogische Tagesgruppe Phönix / Suzana Bark

Aktuell leben in den Wohngruppen der Diakonie Wuppertal 58 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 21 Jahren – in drei Kinderwohngruppen, zwei Jugendwohngruppen und in Appartements im betreuten Wohnen für Jugendliche ab 16 Jahre. Die Angebote der stationären Kinder- und Jugendhilfe leisten laut gesetzlichem Auftrag „Hilfe zur Erziehung“ – weil Eltern krank sind oder überfordert sind, weil sie eine Gefängnisstrafe absitzen oder auch nach Missbrauch oder Vernachlässigung. „Die wenigsten sind Vollwaisen“, weiß die Fachfrau. In vielen Fällen wird mit den Eltern zusammengearbeitet, es bedarf ihrer Zustimmung für die Unterbringung.

In den Wohngruppen beginnt dann ein neuer Alltag. Höchstens neun Kinder oder Jugendliche leben hier zusammen. „Es ist wie Familie mal neun“, sagt Silke Angenendt, „bunt und trubelig.“ Der Tag beginnt mit Frühstück und Brotdosen. Und schon jetzt schauen die Erzieherinnen und Erzieher ganz genau hin. „Das ist unsere Verantwortung: Wir werden nicht müde, die Kinder wirklich wahrzunehmen“, sagt Silke Angenendt.

Mittagessen, Fußballtraining, Klavierunterricht: „Das ist wie in einer Familie sehr individuell“, erklärt die Bereichsleiterin. „Und wir bemühen uns für die Kinder und Jugendlichen um ein Therapieangebot“. Denn der Rucksack ist nicht vergessen.

pätestens zum Abendessen kommen wieder alle an einen Tisch. „Wir sind immer da. Wir sind immer ansprechbar. Verlässlich“, sagt Silke Angenendt. Auch nachts darf geklopft werden. Diese Verlässlichkeit kennen viele der Kinder und Jugendlichen von Zuhause nicht. Ohnehin: „Wenn die Kinder erstmal hier sind, sind sie sicher und es geht ihnen gut“, weiß Silke Angenendt und erzählt von Ferienreisen, bunten Aktionen und dem Einsatz eines eigenen Kinder- und Jugendparlaments.

Hier leben die Kinder und Jugendlichen.

Foto: Heilpädagogische Tagesgruppe Phönix / Suzana Bark

Manche jungen Bewohnerinnen und Bewohner kehren nach einiger Zeit wieder nach Hause zurück, wenn sich dort die Wogen geglättet haben. Andere werden in den Wohngruppen groß und ziehen mit 16 Jahren in ein Appartement im betreuten Wohnen. „Die Verselbstständigung ist fest in unserem Konzept verankert“, erklärt die Bereichsleiterin. Dazu gehören erst Aufgaben im Haushalt und später Kompetenztrainings.

Natürlich gebe es auch mal Reibereien und schlechte Tage. „Aber die Kinder und Jugendlichen unterstützen sich gegenseitig. Sie helfen sich“, weiß Silke Angenendt. Das Image vom „Kinderheim“ ärgert sie. Das habe nichts mit der Realität zu tun: „Hier ist ganz viel Spaß und Leben. Wir haben so tolle Kinder.“

Wenn sie sich etwas wünschen dürfe: „Von den jungen Leuten wird in der Regel erwartet, dass sie sich mit 18 Jahren verselbständigen. Die Mitarbeitenden der Wohngruppen müssen sich nicht selten sehr dafür einsetzen, dass die Heranwachsenden die benötigten und gesetzlich vorgegebenen Hilfen für junge Volljährige erhalten“, sagt Silke Angenendt und fordert eine längere Finanzierung. Und: „Es braucht viel mehr dieser Angebote“, sagt sie und erzählt von vollen Wohngruppen und der großen Not der Jugendämter, Plätze zu finden.

Anrufe weit über die Grenzen der Stadt und Region hinaus erreichen auch die Diakonie in Wuppertal – so wie an jenem Tag im Frühsommer, als drei Geschwister einen sicheren Ort zum Leben suchten.