Jubiläum beim Peter-Hammer-Verlag „Immer noch ein bisschen gegen den Strom“

Wuppertal · Lateinamerika, Afrika und Kinderbücher: Der Wuppertaler Peter-Hammer-Verlag ist 50 geworden, schreibt schwarze Zahlen — und wird unabhängig bleiben.

 Die Chefin tanzt: Monika Bilstein mitten im Jubiläumsfest-Getümmel im Barmer Bahnhof.

Die Chefin tanzt: Monika Bilstein mitten im Jubiläumsfest-Getümmel im Barmer Bahnhof.

Foto: Susanne Wengeler

Johannes Rau hat ihn mitgegründet, ein Jahr selbst geleitet, dann war der bekannte Wuppertaler Schriftsteller Hermann Schulz 35 Jahre lang der Chef — und seit 2001 sitzt Ex-Prokuristin Monika Bilstein am Ruder in der Föhrenstraße auf dem Rott: Der Peter-Hammer-Verlag, der nach einer stritbaren, zensurfeindlichen Pseudonym-Person, die es nie gegeben hat, benannt ist, war immer in Wuppertal zu Hause, war immer etwas Besonderes auf dem Buchmarkt, war immer unabhängig und frei von jeder Konzernbindung. Im Barmer Bahnhof gab es eine 50-Jahres-Geburtstagsparty mit rund 170 Gästen aus ganz Deutschland — und das selbstbewusste Bekenntnis von Monika Bilstein: "Es soll alles so bleiben, wie es ist." Weil es so wie es ist, gut ist.

"Wunderbar ausbalanciert"

Ja, und wie ist es denn überhaupt? "Mittelständisch" - so nennt man die Größenordnung, in die der Hammer-Verlag einsortiert wird, vier feste Mitarbeiterinnen und mehrere Freie hat er, rund 100 Autoren aus aller Welt publizieren hier, zwölf Bücher und Kalender bringt Peter Hammer pro Halbjahr heraus — übers ganze Jahr gesehen kommt man auf etwa 25 Veröffentlichungen. Das ist viel für einen solchen Verlag. Übernahmeinteresse großer Konzerne gab es schon, auch die Frage, ob man nicht das Wagnis des Wachstums riskieren solle: Monika Bilstein hat immer abgelehnt. "Ich spreche mit allen unseren Autoren selbst, es geht bei uns sehr persönlich zu, das verwaltungstechnische Gerüst und das menschliche, gegenseitige Treue-Verhältnis sind wunderbar ausbalanciert. Diese bewusste Konzentration auf das Persönliche wäre nicht mehr zu machen, wenn wir größer wären."

Kinder lesen nicht? Von wegen!

Der sowohl wirtschaftliche als auch imagemäßige Erfolg gibt dieser Position recht: Peter Hammer schreibt schwarze Zahlen, müsste zurzeit vor einer eventuellen Buchmarktkrise keine Angst haben. Trotz Internet, Smartphone, TV und Co., trotz der Behauptung, Kinder würden nicht mehr lesen, ist gerade das für Peter Hammer so unverwechselbare Kinderbuch-Segment noch stark gewachsen, bringt dem Wuppertaler Verlag seit Jahren immer wieder Preise und Auszeichnungen — inklusive wirtschaftlichem Erfolg. "Das macht uns natürlich froh und stolz", sagt Monika Bilstein: "Mainstream passt nicht zu uns, wir machen etwas Besonderes, wir schwimmen immer noch ein bisschen gegen den Strom. Und es ist schön zu sehen, dass genau dieser Weg für uns der richtige war, ist und sein wird."

Von Gioconda Belli bis zum kleinen Maulwurf

Schön sind sie, die Bücher des Peter-Hammer-Verlages, anders, schräg, witzig, nachdenklich, kritisch. Das galt von Anfang an, als Hermann Schulz der lateinamerikanischen und der afrikanischen Literatur den Weg auf den deutschen Markt geebnet hat. Eduardo Galeano, Ernesto Cardenal, Gioconda Belli oder Chinua Achebe und Ahmadou Kourouma sind hier Stellvertreter für viele andere. Dann der Wuppertaler Wolf Erlbruch mit seiner legendären Illustration der Werner-Holzwarth-Geschichte "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat": Damit startete die Erfolgsstory des Hammer-Verlages auf dem Sektor besonderer, außergewöhnlich geschriebener und ebenso illustrierter Kinderbücher. Es ist nicht übertrieben: In Sachen Kinderbücher ist der Peter-Hammer-Verlag Spitze auf dem deutschsprachigen Markt. Eben auch, weil die Peter-Hammer-Bücher bewusst nicht nur niedlich oder mit kindlich-kuscheligem "Lalala" daherkommen. Monika Bilstein: "Uns geht es darum, Kinder als Leser ernst zu nehmen, ihnen auch schwierige, kritische, gesellschaftlich wichtige Themen zuzumuten. Und das funktioniert. Sehr gut sogar."

 Lang, lang ist's her: Drei Wuppertaler und die bekannteste Schriftstellerin Nicaraguas - Johannes Rau, Ursula Kraus, Gioconda Belli und Hermann Schulz beim 30. Verlagsjubiläum 1996 im Schauspielhaus.

Lang, lang ist's her: Drei Wuppertaler und die bekannteste Schriftstellerin Nicaraguas - Johannes Rau, Ursula Kraus, Gioconda Belli und Hermann Schulz beim 30. Verlagsjubiläum 1996 im Schauspielhaus.

Foto: Peter-Hammer-Verlag

Das Netzwerk der Autoren und Illustratoren läuft rund: Durch Empfehlungen und andere Kontakte entdeckt man immer wieder neue Talente, die neuen Input liefern. Darüber hinaus landen pro Woche rund 30 unverlangt eingeschickte Manuskripte auf den Schreibtischen an der Föhrenstraße: Der Buch- und Textmarkt fährt auf Hochtouren — allen Unkenrufen, die wider besseres Wissen nicht verstummen wollen, zum Trotz.

Nähe und Leidenschaft

Monika Bilstein blickt auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: "Meine Vorgänger, allen voran natürlich Hermann Schulz, haben hier Großes geleistet, den Verlag durch etliche schwere Krisen geführt, ohne dass er sein Gesicht verloren hätte. Unsere Unabhängigkeit, unsere Nähe zu Autoren und Buchhändlern macht uns innerlich und äußerlich stark. Und dass wir nicht davon ablassen, Themen anzupacken, die aus dem Rahmen fallen, gibt uns ein Profil, das wahrgenommen wird. Dazu gehört die Leidenschaft und Belastbarkeit des gesamten Teams. Es ist sehr schön, dass unsere Leser das honorieren."

Talente, Überraschungen und Lese-Spaß

Und wie soll's weitergehen? Die facettenreiche Literatur aus Lateinamerika und Afrika — daran will der Peter-Hammer-Verlag nach wie vor festhalten, ebenso am Segment gesellschaftlich streitbarer Sachbücher, die wichtige Diskurse mit eigenwilligen Gedanken kommentieren. Und natürlich vor allem das kraftvoll trainierte Standbein der besonderen Kinderbücher soll weiter wachsen. Monika Bilstein: "Der Peter-Hammer-Verlag ist heute eine Heimat für zahlreiche bemerkenswerte Talente sowohl in Sachen Text als auch Illustration und Gestaltung. Wir stehen immer wieder für echte Überraschungen und Spaß, der auch Altersgrenzen locker überwindet. Daran wollen wir eigentlich überhaupt nichts ändern..."

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