Aus dem Tagebuch der Redaktion Watt soll datt?

Montagnachmittag, der Himmel ist grau und es nieselt. Ich eile zur Schwebebahn, um ins Opernhaus zur Premiere von "Alice im Wunderland" zu fahren. Die Bahn fährt ein, hastig drängen die Wuppertaler in ihr Wahrzeichen, um dem Schmuddelwetter zu entgehen.

Aus dem Tagebuch der Redaktion: Watt soll datt?
Foto: Bettina Osswald

Mit etwas Glück erwische ich einen Fensterplatz. Neben mir steht ein älteres Paar und schaut gespannt auf die Döppersberg-Baustelle. Offensichtlich scheint die Dame jedoch die Riesenröhre vor den Kaufmännischen Schulen mehr zu interessieren. "Watt soll datt denn sein?", fragt sie ihren Begleiter. Antwort: Schulterzucken.

Zwei Haltestellen weiter, eine Gruppe Jugendlicher hat mittlerweile den Platz neben mir bezogen. Einer schnüffelt, ich rieche es auch. Mit Blick in eine bestimmte Richtung brüllt einer der Jungspunde quer durch die Bahn: "Watt soll datt, Du Schwein, da hat doch eener einen fahren lassen!"

An der Völklinger Straße verlassen sie die Schwebebahn, aber so, als ob sie zur Junior Uni wollten, sehen sie nicht aus.

Adlerbrücke, ich habe mein Ziel erreicht. Eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter steigt mit mir aus. Das Mädchen ist aufgeregt, stellt tausend Fragen, hüpft über den Gehsteig, kann es kaum erwarten, bis die Ampel auf Grün springt. Das Opernhaus zieht sie magisch an, hell erleuchtet, mit dem Tannenbaum im Kronleuchterfoyer sieht es wirklich einladend aus. Drinnen haben die ersten kleinen Gäste bereits entdeckt, dass man auf den Treppengeländern wunderbar rutschen kann. Klar, dass vor einem Opernbesuch auch die nötige Verpflegung nicht fehlen darf. "Watt is datt denn?", fragt ein Stöpsel mit Blick auf die Salzbrezel, ihm wären Negerküsse lieber gewesen.

Egal, wir erleben einen magischen Nachmittag und treten nach zwei Stunden bestens gelaunt den Heimweg an. Bahn oder Bus, ist nun die Frage. Ich entscheide mich für den Bus. . In der Dunkelheit sieht die Talsohle festlich aus, viele Häuser sind geschmückt, und die Lichter brechen sich im Regen. Selbst der Stau in der Wolkenburg ist stimmungsvoll.

Wir nähern uns dem Weinkontor, dort, wo im Spätherbst die spektakuläre Fotoaktion über die Bühne ging, die die Wuppertalerin Valentina Manojlov mit viel Engagement und Herzblut auf die Beine gestellt hat. Auch mein Porträt klebt an der Fassade. In Paris hätte diese Aktion des Teams um den französischen Street-Art-Künstlers J.R. für jede Menge Schlagzeilen gesorgt. Die meisten Wuppertaler dagegen haben sie eher unspektakulär und mit einem knappen, vielleicht auch lächelnden "Watt soll datt?" abgetan.

Aber wahrscheinlich ist es unsere Mentalität, die J.R. so an dieser Stadt fasziniert. Denn sein Pseudonym steht eigentlich für die beiden kleinen Wörtchen "juste ridicule" — "richtig lächerlich" oder frei übersetzt "Watt soll datt?"

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