Situation von Alleinerziehenden „Ich fühlte mich ausgeschlossen aus Kirche“

Wuppertal · Katarina Lange wünscht sich, dass Kirche die Situation von Alleinerziehenden mehr in den Blick nimmt. In einem Essay macht sie dazu konkrete Vorschläge. Lange arbeitet seit 2022 als Vertretung für den pastoralen Dienst in der Gemeinde Sonnborn und ist Mutter von drei Kindern.

Katarina Lange arbeitet in der Gemeinde Sonnborn.

Katarina Lange arbeitet in der Gemeinde Sonnborn.

Foto: Lange

Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass alleinerziehende Mütter und Väter häufig unter Isolation, Ausgrenzung, wirtschaftlicher Unsicherheit und dadurch großem psychischen Druck leiden. „Alleinerziehende sind oft einsam. Ihnen fehlt jemand, der fragt, wie es ihnen eigentlich geht. Sie erleben eine große Einsamkeit, was die eigenen Bedürfnisse angeht“, sagt die 42-Jährige. „Genau dort könnte Kirche und Gemeinde eigentlich ansetzen.“

In einem Essay („Die christliche Botschaft für Alleinerziehende. Herausforderung für Mission und Diakonie“) für einen internationalen Aufsatzwettbewerb der VEM hat sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Und wurde dafür mit dem dritten Platz ausgezeichnet. Darin befasst Katarina Lange sich anhand von drei Beispielen aus der Bibel (die Geschichte von Hagar und die Geschichte von der Witwe von Sarepta aus dem AT und die Geschichte von Tabita aus dem NT) mit der Situation von Alleinerziehenden. Außerdem formuliert sie Ideen, wie Kirche sich unter missionarischen und diakonischen Gesichtspunkten besser um alleinerziehende Frauen und Männer kümmern könnte.

Mit dem Text habe sie sich ihren Frust „von der Seele“ geschrieben, sagt Katarina Lange rückblickend. Zu dem Zeitpunkt wohnte sie in Ostfriesland und arbeitete bei „grenzwertiger Bezahlung“ im Vergleich zu ihrer beruflichen Qualifikation in der Gastronomie.

Ehrenamt muss man sich „leisten“ können

„Ich fühlte mich in der Zeit total ausgeschlossen aus Kirche. Die Angebote in den Gemeinden passten nicht zu mir und meinen Lebensumständen. Durch Schichtdienste konnte ich an den Abendveranstaltungen und an den Terminen am Wochenende nicht regelmäßig teilnehmen. Aber in Ostfriesland war es schwierig, eine andere Stelle zu finden.“

Gleichzeitig habe sie es sich finanziell nicht leisten können, sich ehrenamtlich in die Gemeindearbeit einzubringen. Auch der Weg in den Gottesdienst am Sonntag nach einer anstrengenden Arbeitsschicht bis in die Abendstunden habe sie viel Kraft gekostet. Sie hatte teilweise das Gefühl, dass man in Kirche nur wahrgenommen wird, wenn man selbst auch ehrenamtlich aktiv ist und sich einbringt. „Sonst fragt so schnell niemand, wie es einem geht.“

Kirche fehlt der Blick für Situation der Alleinerziehenden

Vielen anderen Alleinerziehenden gehe es ähnlich, vermutet Lange. „Ich habe den Eindruck, dass es in der Kirche zu wenig Menschen gibt, die sich um Alleinerziehende kümmern und an ihre spezielle Situation denken.“

Manchmal habe ihr im Umfeld von Kirche das Gespür für die ganz andere Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden gefehlt. Dabei steige die Zahl der Alleinerziehenden stetig. Und viele von ihnen würden am Rand oder unterhalb der Armutsgrenze leben. „Dieses Phänomen kann Kirche nicht ignorieren. Aber das ist noch nicht in allen Gemeinden angekommen“, sagt Lange.

„Bei uns bist Du nicht ausgeschlossen!“ – diesen Appell würde sie sich von Kirche an die Alleinerziehenden wünschen. „Gerade 2023 mit dieser wunderbaren Jahreslosung ‚Du bist ein Gott, der mich sieht‘ können wir Alleinerziehende ansprechen, weil Gott auch ihre Situation sieht. Das kann trösten und Mut machen.“ Und sie hat auch erste Ideen, wie das gelingen könnte: Mehr digitale Angebote und Andachten, die zeitunabhängig und flexibel genutzt werden können, wären der richtige Ansatz. Oder mehr Angebote, wo Kids parallel betreut werden.

Auch Veranstaltungen am späten Nachmittag mit gemeinsamen Abendessen würde die Mutter von drei Kindern begrüßen. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn schon jemand das Abendessen zubereitet hat und man dann anschließend Zuhause nur noch die Kinder ins Bett bringen muss.“

Bessere Vernetzung untereinander

Außerdem wünscht sie sich einen noch besseren Austausch und Vernetzung, der von Gemeinde initiiert wird. „Wir Alleinerziehenden müssen uns noch mehr gegenseitig helfen“, ist sie überzeugt. „Aber Alleinerziehende brauchen auch Netzwerke mit anderen Personengruppen. In dem solche guten Ideen wie Nachbarschaftshilfe oder Leih-Omas auch auf Gemeinde-Ebene umgesetzt werden.“

Im Jugendzentrum Sonnborn gibt es seit kurzem ein neues Angebot: Drei mal pro Woche wird ein kostenloses Essen für alle Kids angeboten. „Gerade jetzt wird die Lage für Alleinerziehende noch akuter. Solche Angebote müsste es mehr geben“, ist Lange überzeugt.

Zur Person

Lange ist über Umwege in der Gemeinde Sonnborn gelandet: Aufgewachsen in Süddeutschland, ging es von der Evangelisch-methodistischen Kirche in die Hannoversche Landeskirche und schließlich führte sie ihr Weg bis nach Ostfriesland.

Katarina Lange ist gelernte Bürokauffrau, hat dann aber ein Grundstudium der Ev. Theologie absolviert und ist schließlich Hauswirtschaftsmeisterin geworden. Seit dem Sommersemester 2021 studiert Lange berufsbegleitend im Masterstudiengang an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal.

Die 25 Essays wurden im Rahmen eines Aufsatzwettbewerbs anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Internationalisierung der VEM in 2021 von jungen Autorinnen und Autoren aus Afrika, Asien und Europa geschrieben. Als Aufgabe wurde vorgegeben, Reflexionen über die aktuellen Herausforderungen der Kirchen anzustellen.

Die Autorinnen und Autoren beschäftigen sich mit Menschen, die Opfer von Diskriminierung und Gewalt sind und von ihren Kirchen nicht oder nur unzureichend wahrgenommen werden. Alle eingereichten Essays sind im September in englischer Sprache in dem Buch „Building Inclusive Communitites. How Can Churches Fight against Discrimination, Exclusion and Violence?“ erschienen, das bei der VEM kostenlos als Download erhältlich ist.

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