Ev. Gemeinde Elberfeld Nord Verkauf der Kirche am Kolk: „Handlungsfähig bleiben“

Wuppertal · Die Gemeinde Elberfeld Nord hat immer weniger Geld und wird sich daher von der Kirche am Kolk und dem Vereinshaus trennen. Ein Interview mit der Presbyteriumsvorsitzenden Dorothee Kleinherbers-Boden und den beiden Pfarrern Joachim Hall und Dr. Jonathan Hong über die Hintergründe.

 Der sanierte Turm der Kirche am Kolk.

Der sanierte Turm der Kirche am Kolk.

Foto: Archiv/KK

Warum ist aus Sicht des Presbyteriums die Entwidmung und der Verkauf der Kirche am Kolk und des Vereinshauses am Katernberg notwendig geworden?

Hall: „Uns geht es wie allen anderen Gemeinden: Durch den Mitgliederschwund bekommen wir deutlich weniger Kirchensteuern ausgezahlt und haben dadurch weniger finanziellen Spielraum. Wir waren und sind mit rund 8.300 Gemeindegliedern die größte Gemeinde im Kirchenkreis. Aber die Zahl unserer Mitglieder wird auf rund 6.000 Gemeindeglieder in 2030 zurückgehen, so die Prognosen.

Für die Gemeinde Elberfeld Nord kommen erschwerend noch andere Belastungen hinzu. Die Renovierung des Turms am Kolk hat rund zwei Millionen Euro gekostet, von denen die Gemeinde rund 950.000 Euro selbst bezahlt hat. Außerdem müssen wir für die Übernahme und Sanierung unserer Friedhöfe rund 4,3 Millionen Euro an den Christlichen Friedhofsverband zahlen, die Zahlungen laufen noch bis 2028.

Wir haben schon ein Pfarrhaus und weitere Immobilien verkauft und die Zahl der Pfarrstellen von 3,75 auf zwei Pfarrstellen reduziert, aber dennoch läuft die Konsolidierung noch nicht gut genug, und wir müssen weitere Schritte unternehmen, um als Gemeinde handlungsfähig zu bleiben.“

Pfarrer Joachim Hong.

Pfarrer Joachim Hong.

Foto: Archiv/KK

Wie fiel die Entscheidung auf die Kirche am Kolk und das Vereinshaus?

Hong: „Dem Entschluss ist eine ausführliche Gebäudestrukturanalyse vorausgegangen, in der wir die Unterhalts- und Personalkosten und die Nutzung aller Gebäude überprüft haben. Leider ist das Gemeindeleben am Kolk, abgesehen von den gut besuchten Konzerten, so weit zurückgegangen, dass es nicht im Verhältnis zu den Unterhaltskosten steht. Die Kirche am Kolk ist mit ihrer lutherischen Tradition einmalig in Wuppertal und wird hierfür auch über die Gemeindegrenzen hinaus geschätzt und die Mitarbeiter sind sehr engagiert. Darum ist es auch unser Wunsch, diese Tradition an einem anderen Ort weiterleben zu lassen.“

Hall: „Seit wir das Vereinshaus am Katernberg 2022 für ukrainische Geflüchtete geöffnet haben, finden dort keine Gemeindeangebote mehr statt. Natürlich hängen auch an diesem traditionsreichen Gebäude viele Herzen. Aber bei allen schmerzlichen Abschieden, die uns bevorstehen, ist für uns die oberste Prämisse, dass das Gemeindeleben weitergehen kann.“

Gibt es keine Alternative, wie zum Beispiel eine Vermietung?

Hall: „Wir suchen seit Jahren nach Lösungen und nach alternativen Nutzungen. Die Entscheidung war also alles andere als ein Schnellschuss. So waren wir beispielsweise mit den Symphonikern bezüglich einer Vermietung im Gespräch. Aber daraus ist leider nichts geworden.“

Kleinherbers-Boden: „Wir haben uns unter anderem auch von der Uni Wuppertal beraten lassen. Unsere Hoffnung ist, dass wir nach einer Entwidmung der Kirche ergebnisoffen suchen können und mehr Optionen für die Nutzung haben.“

Das Vereinshaus am Katernberg.

Das Vereinshaus am Katernberg.

Foto: Archiv/KK

Wie wurde die Gemeinde vorab über das Vorhaben informiert? Es gibt Vorwürfe, dass die Mitglieder in den Prozess nicht ausreichend einbezogen wurden?

Kleinherbers-Boden: „Im Presbyterium gibt es über die Gebäudefrage seit vier Jahren eine intensive Diskussion. Auch in den Gemeindebriefen haben wir immer wieder auf unsere schwierige Finanzlage hingewiesen. Wer bei uns in der Gemeinde aktiv ist, hat auch unsere Überlegungen mitbekommen. Das war keine geheime Diskussion! Im Silvestergottesdienst und im neuen Jahr ist die Entwidmung dann abgekündigt worden, so wie es in der Kirchenordnung vorgeschrieben ist.“

Hong: „Für uns ist die Entwidmung ein rechtlicher Schritt, um uns alle Möglichkeiten offen zu halten. Wie zuvor bleibt auch die Hoffnung, dass sich ein Mieter mit einem finanzstarken Konzept finden lässt.“

Für die Kirche am Kolk wurden viele Spenden für die aufwändige Turmsanierung gesammelt. Insgesamt kostete die Sanierung rund zwei Millionen Euro. Konnte die Gemeinde zu dem Zeitpunkt schon absehen, dass die Kirche nicht gehalten werden kann?

Kleinherbers-Boden: „Nein. Mit der Turmsanierung haben wir 2017 begonnen. Da wussten wir noch nicht, dass wir die Kirche nicht halten können. Außerdem mussten wir den Turm sanieren, um die Passanten vor drohenden herabfallenden Steinen zu schützen. Da gab es keine Alternative, wir waren in der Haftung. Neben dem hohen Eigenanteil der Gemeinde haben wir für die Turmsanierung rund 600.000 Euro aus öffentlichen Fördermitteln bekommen, 78.000 Euro sind über die sieben Jahre gespendet worden, also etwa vier Prozent des Gesamtvolumens. Die Baukosten sind deutlich höher gewesen, als anfangs kalkuliert.“

Hall: „Die hohen Zahlungen an den Friedhofsverband waren damals noch kein Thema. Und auch den starken Mitgliederschwund hatten wir so nicht vorhergesehen.“

 Die Presbyteriumsvorsitzende Dorothee Kleinherbers-Boden.

Die Presbyteriumsvorsitzende Dorothee Kleinherbers-Boden.

Foto: Archiv/KK

Welche Angebote finden aktuell in der Kirche am Kolk statt? Wo soll das zukünftig passieren?

Hong: „Die Konzerte hatten wir ja schon zu Corona in die Friedhofskirche verlegt. Das geht auch weiterhin. Der Gottesdienst mit lutherischer Tradition kann ebenfalls in der Friedhofskirche stattfinden oder in unserer Auferstehungskirche, die übrigens auch ursprünglich lutherisch war. Wir hoffen sehr, dass die Seniorenangebote vom Kolk in der Friedhofskirche Fuß fassen können.“

Können Sie die Enttäuschung einiger Gemeindeglieder, die an „ihrer“ Kirche hängen, nachvollziehen?

Hall: „Natürlich ist uns bewusst, dass der Abschied schmerzlich ist und dass es weh tut, wenn eine Kirche aufgegeben werden muss. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“
Hong: „An Kirchen hängen viele Emotionen und Erinnerungen. Dazu hat der Kolk eine ganz zentrale Lage mitten in der Innenstadt. Das lässt sich nicht einfach kompensieren. Aber wir müssen uns als Gemeinde auch ganz grundsätzlich fragen, ob wir für die Menschen oder für die Gebäude da sein wollen.“

Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Schritte nach der Gemeindeversammlung?

 Pfarrer Dr. Jonathan Hong.

Pfarrer Dr. Jonathan Hong.

Foto: Kirchenkreis

Kleinherbers-Boden: „In der Presbyteriums-Sitzung Ende des Monats werden wir voraussichtlich den Beschluss zur Entwidmung der Kirche am Kolk bestätigen. Diesem Beschluss muss die Kirchenkreisleitung dann zustimmen und abschließend geht das Thema zu unserer Landeskirche nach Düsseldorf. Wenn diese einverstanden ist, wird es voraussichtlich im Sommer einen Abschiedsgottesdienst am Kolk geben. Die Vermarktung der Kirche wird sich sicherlich hinziehen, solange kann die Kirche weiterhin genutzt werden, wenn der Kirchenkreis dem zustimmt.“

Werden die evangelischen Gemeinden im Kirchenkreis ihrer Einschätzung nach weiteren Kirchen abgeben müssen?

Kleinherbers-Boden: „Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten zehn Jahren zu weiteren Entwidmungen kommen wird. Das ist jedes Mal ein schmerzhafter Prozess, aber für uns als Gemeinden die einzige Möglichkeit, finanzielle Spielräume zu bekommen.“

Hall: „Genau. Nur so können wir Gemeindeleben auch unter erschwerten Bedingungen weiter lebendig gestalten. Niemand möchte, dass wir Menschen aus der Gemeinde entlassen müssen, weil wir sie nicht bezahlen können …“

Kleinherbers-Boden: „Das Presbyterium hat beschlossen, dass wir mit und für die Menschen in unserer Gemeinde arbeiten wollen: Wir wollen Menschen helfen und Glauben verkündigen. Wir haben also etwas anzubieten und das findet auch ganz unabhängig von Gebäuden statt.“

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