„Ich fange wieder bei Null an“

Mit 100 Jahren blickt Helmut Albracht optimistisch in die Zukunft. Einen Großteil seines Lebens verbrachte der Vater, Großvater und Urgroßvater in der Elberfelder Nordstadt.

 Die Söhne Axel und Ingolf, die Enkelinnen Nicole und Alexandra, die Urenkel Sebastian und Julian (v.l.) und viele weitere Gäste waren zum Lutherstift gekommen, um den 100. Geburtstag ihres Jubilars Helmut Albracht zu feiern.

Die Söhne Axel und Ingolf, die Enkelinnen Nicole und Alexandra, die Urenkel Sebastian und Julian (v.l.) und viele weitere Gäste waren zum Lutherstift gekommen, um den 100. Geburtstag ihres Jubilars Helmut Albracht zu feiern.

Foto: Bube

Verschmitzt und mit wachem Blick betrachtet Helmut Albracht die Runde und freut sich: Ingolf und Axel, seine beiden Söhne, die Enkelinnen Nicole und Alexandra, die Urenkel Sebastian und Julian, weitere Verwandte und Freunde — sie alle haben den Weg ins Seniorenheim Lutherstift gefunden, um mit ihm seinen 100. Geburtstag zu feiern. Eben an jenem Ort, der vor langer Zeit schon einmal Heimat des Jubilars und seiner Familie war.

Am 5. März 1915 in der "Hebammenlehranstalt", der späteren Landesfrauenklinik geboren, wächst er am Ostersbaum auf. Im gleichen Haus wie das Mädchen Wilga. Nach der Schule absolviert Helmut eine Lehre als Friseur und heiratet 1936 die Liebe seines Lebens: Wilga. Im gleichen Jahr muss er beim Reichsarbeitsdienst antreten, später leistet er Dienst auf Schlachtfeldern in Russland.

Allerdings, so grausam die Epoche auch ist, zwei positive Ereignisse überstrahlen den Nazi-Terror: Im November 1940 erblickt Ingolf das Licht der Welt, vier Jahre später Axel. Nach dem Krieg wagt Helmut Albracht den Sprung in die Selbstständigkeit und eröffnet einen Friseursalon. Kurz nur. "Ein Haarschnitt brachte zwischen 60 Pfennig und einer Mark. Bei 100 Mark Miete für das Ladenlokal war mir das nach einigen Jahren zu mühsam", erzählt der 100-Jährige, der stattdessen 1953 bei der Deutschen Bank anheuerte.

Zwei Jahre später zieht die Familie in eine größere Wohnung an der Schusterstraße 21. Und bleibt dort bis 1973. Das Lutherstift kauft das Gebäude, dem Umbau für Betreutes Wohnen müssen alle Mieter weichen. Traurig sind die Albrachts nur bedingt: Das neue Domizil in der Charlottenstraße ermöglicht einen tollen Blick übers Briller Viertel und liegt nah am Schusterplatz, auf dem sie sich so gerne aufhalten.

1978 sagt Helmut dem Arbeitsleben Ade und genießt mit Wilga den wohlverdienten Ruhestand. Es werden viele schöne Jahre bis zum Tod Wilgas 1994. 2006, als die körperlichen Kräfte nachlassen, verordnen Alex und Ingolf ihrem Vater sanft, aber bestimmt, Betreutes Wohnen. Im Lutherstift, im gleichen Haus wie einst. "So schließen sich Kreise des Lebens", sinniert Helmut Albracht und blickt mit einem optimistischen Lächeln ins nächste Jahr: "Da wird Geburtstag gefeiert, schließlich fange ich ja gerade wieder bei Null an", sagt er so bestimmt, dass für Zweifel kein Platz ist.

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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