Bergischer Biologe Jan Boomers "Wir sind mittendrin im Klimawandel"

Wuppertal · Ist Ihnen heiß? Den Pflanzen und Tieren geht es ähnlich. Der Biologe Jan Boomers erklärt bei einem Spaziergang, was die Hitze und Trockenheit für die Natur im Bergischen bedeuten.

 Jan Boomers ist 56 Jahre alt und Geschäftsführer der Biologischen Station „Mittlere Wupper“. Der Name soll auf die naturräumliche Zusammengehörigkeit der bergischen Großstädte hinweisen.

Jan Boomers ist 56 Jahre alt und Geschäftsführer der Biologischen Station „Mittlere Wupper“. Der Name soll auf die naturräumliche Zusammengehörigkeit der bergischen Großstädte hinweisen.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Als die Rundschau-Mitarbeiter am vergangenen Montag um 8 Uhr in der Früh bei 25 Grad von der Stadthalle zum Büro am Johannisberg herunterliefen, säumten Hunderte tote Falter den Weg. Ihre Flügel, dünner als Pauspapier, wehten über die Stufen, an den Körper klebten noch die Kokons. Warum fallen frisch geschlüpfte Schmetterlinge wie Regentropfen vom Himmel?

Ich treffe Dr. Jan Boomers drei Tage später in Solingen. Direkt neben dem Tor zum Botanischen Garten liegt die Biologische Station "Mittlere Wupper". Die hier arbeitenden Biologen pflegen die Kulturlandschaften der bergischen Großstädte wie zum Beispiel Scharpenacken. Jan Boomers ist ihr Geschäftsführer. "Ja, das Wetter macht etwas mit der Natur", sagt der promovierte Biologe beim Spaziergang durch den Botanischen Garten. Noch immer steigen die Temperaturen täglich, seit dem Faltersterben sind nur wenige Regentropfen gefallen.

Im Botanischen Garten tragen Ehrenamtliche mit langen Armen schwere Gießkannen zu den Beeten. Wir machen Halt unter einer alten Eiche. Rund zehn Meter, sagt Jan Boomers, reichen ihre Wurzeln in die Erde. "Aber wenn der Grundwasserspiegel weiter sinkt, werden auch sie kein Wasser mehr finden."

Schon jetzt spürt der Baum den Mangel. Unter der großen Krone liegen Blätter, trockene Zweige und einzelne kleine Äste. "Wenn das Wasser nicht reicht, wirft der Baum Ballast ab", sagt Boomers und zeigt auf eine Linde, deren Krisenmanagement fortgeschritten ist.

Wie im Herbst sammeln sich dort Dutzende Blätter um den Stamm, die jedoch anders als im Oktober noch grün sind. "Nicht alle Bäume werden die Dürre und Hitze überleben", sagt der Biologe. In Wuppertal gießen die Feuerwehr und sogar die Polizei mit Wasserwerfern Straßenbäume und frisch angepflanzte Kulturen. "Aber alle Bäume gießen? Die Städte müssen nun Prioritäten setzen, welche Bestände sie retten wollen."

Während die Bäume sich von ihrem Blattwerk trennen, lassen viele blühende Pflanzen die Köpfe hängen. Ihre Blüten waren Lebensraum für Tausende Insektenarten. "Eigentlich war dieses Jahr ein sehr gutes für Insekten, bei viel Regen schimmelt die Brut manchmal noch in den Puppen", erklärt Boomers. Aber nun fehlen Nahrungsräume. "Nicht den Rasen mähen, jede Blüte ist Nahrungsquelle und unter langem Gras sammelt sich Feuchtigkeit, die die Tiere trinken."

Während Reptilien wie die in Wuppertal lebende Zauneidechse von der Trockenheit profitieren, sind wohl Amphibien die größten Verlierer des extremen Sommers. Der Feuersalamander, der sich im Schutz und Schatten des dichten Burgholz' wohlfühlt und dessen Haut sich so schön ledrig und gleichermaßen feucht anfühlt, droht bei lebendigen Leibe zu vertrocknen. Auch Molchen, Fröschen und Kröten fehlt die Anpassung. "Noch wurden nicht viele tote Tiere gefunden", sagt Boomers. "Aber ja, es besteht die Gefahr, dass die Bestände dramatisch zurückgehen."

Echsen breiten sich aus, die Wiesen sind mattgelbe Stoppelpisten. Wuppertal wird mediterran. Ist er das, der Klimawandel? "Tatsächlich ist die Vegetationsperiode im Bergischen Land zwölf Tage länger als noch vor 20 Jahren", sagt Jan Bommers. "Ich fürchte, ja, wir sind mittendrin."

Zurück an der Biologischen Station schaut er sich das Bild der toten Falter von der Stadthalle an. Er vermutet, dass es sich dabei um geschlüpfte Buchsbaumzünsler handelt, denen die Nahrung weggebrochen ist. Die Natur sagt er, wird sich weiter verändern.

Für den heutigen Samstag sind Gewitter angekündigt. Danach erobert sich die heiße Julisonne wieder ihren Platz am bergischen Firmament. "Eigentlich", sagt Jan Boomers, "ist es nicht die Hitze, sondern sind es diese starken Unwetter, die mir die meiste Sorge bereiten."

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