Firmenumzug Wann lohnt sich eine Standortverlagerung und welche Faktoren müssen beachtet werden?

Wuppertal · Dass Firmen und ganze Industriebetriebe umziehen, kommt vor. Aber diese Entscheidung muss unbedingt fundiert getroffen werden – denn die Risiken sind vorhanden.

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Das Areal in der Wuppertal-Vohwinkeler Industriestraße 77 ist ein Zeugnis dafür, dass nicht jedes Unternehmen dauerhaft dort verbleibt, wo es sich einmal angesiedelt hat. Dort residierte noch bis ins Frühjahr 2021 ein Hersteller für Kleber und Klebebänder, bevor er aus Platzgründen nach Remscheid übersiedelte.

Eine solche Standortverlagerung hat viele gute Gründe. In jedem Fall muss sie jedoch noch deutlich gezielter durchgeführt werden als jeder häusliche Umzug – allein schon, weil jeder mit Ab- und Aufbau verbrachte Tag dem Unternehmen Verluste beschert.

Gute Gründe für eine Standortverlagerung

Eine Firma, die vielleicht an einem Ort gegründet wurde, die aber in jedem Fall hier mindestens mehrere Jahre lang ihren Geschäften nachgehen konnte. Warum sollte ein solcher Betrieb seine Zelte abbrechen und den Standort verlagern? Zuvorderst sind es fast ausschließlich gesunde bis hocherfolgreiche Unternehmen, die diesen Schritt wagen – Firmen, denen es schlechter geht, haben meist nicht die Mittel. Davon ab gibt es immer wieder dieselben Gründe für das Wagnis:

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  • Der mit Abstand wichtigste Grund ist der, der schon im Eingangstext genannt wurde: Platzmangel. Ein gesundes Unternehmen strebt immer danach, sich zu vergrößern, das umfasst auch räumliche Ausdehnung. Dadurch kann es durchaus vorkommen, dass selbst ein einstmals großzügig wirkendes Areal bzw. Gebäude mit der Zeit zu klein wird. Gibt es dann keine Möglichkeit, auf angrenzende oder zumindest sehr nahe liegende Flächen zu expandieren, lässt sich der Umzug kaum vermeiden – nicht zuletzt, weil es für den Betrieb in vielen Firmen einfacher, günstiger und/oder effizienter ist, dass möglichst alles von einem Standort aus erledigt wird.  
  • Zumindest bei der Standortverlagerung ins Ausland spielen auch die dort mitunter deutlich niedrigeren Lohnkosten eine wichtige Rolle. Allerdings handelt es sich hierbei auch neuerdings um ein zweischneidiges Schwert: Viele Firmen, die in den zurückliegenden Jahrzehnten den Schritt wagten, kamen auch wieder zurück, weil es Probleme mit der Qualität und der Arbeitskultur gab. Brandaktuell spielt auch die Pandemie eine wichtige Rolle. Sie führt schon jetzt und wohl noch stärker in Zukunft dazu, dass zumindest weitverzweigte Firmen ausgelagerte Teile zurückholen, um weniger von unterschiedlichen Lock- und Shutdowns betroffen zu sein.
  • Steuerliche Vorteile spielen auch innerhalb Deutschlands eine Rolle; mitunter sogar innerhalb einer Region. Denn nicht nur die Grund-, sondern vor allem auch die Gewerbesteuer kann von jeder Gemeinde über Hebesätze unterschiedlich festgelegt – und erhöht – werden. Vor allem nach Anhebungen denken viele Firmen über eine Standortverlagerung nach.
  • Speziell im B2B-Bereich können Standortverlagerungen auch einen Pull-Effekt generieren. Etwa, wenn ein Industrieunternehmen aus bestimmten Gründen wegzieht und deshalb in der Nähe firmierende Zulieferer ebenfalls wechseln, um die Lieferketten weiterhin kurz zu halten.

Nicht zuletzt muss auch betrachtet werden, wie gut eine Kommune oder eine Region für ein Unternehmen auch in seiner Zukunft geeignet ist. So gibt es vonseiten umzugswilliger Firmen häufig auch den Vorwurf, in der alten Gemeinde nicht hinreichend unterstützt worden zu sein; teils auch erst im Nachgang von Wahlen. Auch spielt der Bewerberpool eine wichtige Rolle, speziell bei Firmen, die das Thema Home-Office nicht gänzlich umsetzen können und Personalpräsenz vor Ort benötigen.  

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Hier kann eine Region nach einer gewissen Zeit nicht mehr genügend Workforce-Nachschub liefern – und mitunter gleichsam nicht attraktiv genug für den Zuzug aus anderen Gegenden sein. Je nach Branche leiden Regionen unterschiedlich stark, haben dortige Firmen deshalb auch unterschiedlich starke Motive, aus Personalnot zu verlagern.

Zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Standortverlagerung

Was bedeutet eine Standortverlagerung, selbst wenn sie nur über wenige Dutzend Kilometer geschieht? Zwar winkt als Endziel größerer Erfolg, bis dahin jedoch hat die Verlagerung nur Nachteile:

  • Finden und gegebenenfalls Errichten neuer Immobilien.
  • Klärung der Personallage: Motivieren bestehender Mitarbeiter, ebenfalls umzuziehen sowie Eingliederung neuer Leute am neuen Standort.
  • Eine meist mehrmonatige Phase nicht hundertprozentiger Funktionalität beginnend mit dem Abbau am bisherigen Standort – samt einem teils vieltätigen Totalstillstand. Dazu häufig eine gewisse Zeit, bis sich am neuen Standort alles eingespielt hat.
  • Mitunter die komplette Neuplanung bestehender Logistikprozesse.
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Kurzum: Eine Standortverlagerung ist nicht nur in physischer Hinsicht ein unternehmerischer Kraftakt, der grundsätzlich wohlüberlegt sein sollte. Dementsprechend muss auch alles, was nach der konzeptionellen Entscheidung steht, mit äußerster Effektivität geschehen:

  1. Der neue Standort muss mit maximaler Gewissenhaftigkeit ausgesucht werden. Dies betrifft sämtliche Faktoren, von denen sich eine Firma eine Verbesserung verspricht. Alles, was am alten Standort schlecht lief, muss am neuen Standort besser sein. Alles, was am alten Standort gut lief, muss auch am neuen Standort so funktionieren. Ganz speziell, wenn es sich um einen Umzug aus Platzgründen handelt, muss absolut sichergestellt sein, dass der neue Standort genügend Platzreserven bietet, um auch künftiges Wachstum mitmachen zu können – eine solche Verlagerung ist nichts, was eine Firma alle paar Jahre durchleben sollte.
  2. Frühzeitig müssen Belegschaft und Betriebsrat informiert werden. Insbesondere für einen möglichst kurzen Einarbeitungsprozess nach dem Umzug sollte es das Ziel sein, so viele Fachkräfte wie nur möglich vom alten Standort mitzunehmen. Hierzu ist es nötig, umfassend zu kommunizieren und zu begeistern. Zeitgleich muss das Recruiting für den neuen Standort beginnen. Das ist selbst dann der Fall, wenn (was nur selten vorkommt) alle alten Mitarbeiter mitkommen. Ebenfalls in dieser Phase muss bereits das Organisatorische loslegen. Alle, die es betrifft, müssen über den baldigen Umzug informiert werden – im Idealfall samt der neuen Adresse und einem Wiedereröffnungstermin. Auch zählt hierzu das Thema Handelsregister, Ämter und dergleichen. Hilfreich ist es auf jeden Fall, nicht nur auf der eigenen Firmen-Website an prominenter Stelle hinzuweisen, sondern auch Sonder-Newsletter zu verschicken und gegebenenfalls auch Anzeigen in Zeitungen (vor allem am neuen Standort) zu lancieren – hier bitte beachten, dass dies meist mit besonders viel Vorlaufzeit geschehen muss.
  3. Es müssen die notwendigen Profis ausgesucht und engagiert werden. Je größer ein Unternehmen ist, desto weniger kann es seinen Umzug in Eigenregie erledigen. Idealerweise sollte versucht werden, alle Dienstleistungen aus einer Hand zu realisieren; dafür gibt es spezielle Umzugsfirmen. Das heißt, sowohl die Planung wie auch der Umzug als solcher werden durch externe Firmen durchgeführt, die sich in der Materie auskennen. Wichtig ist, dass Unternehmen diesen Leuten unbedingt Gehör schenken sollten. Dazu ist es notwendig, offen und transparent zu kommunizieren. Je mehr Informationen die Profis haben, desto besser können die Ziele erreicht werden.
  4. Idealerweise in Zusammenarbeit mit besagten Profis muss eine Umzugsreihenfolge erstellt werden. Das heißt, es muss geklärt werden, welche Abteilungen zuerst ab- und am neuen Standort wieder aufgebaut werden. Hierzu gibt es keine Pauschalantworten. Je nach Sachlage kann es sowohl richtig sein, die wichtigsten Abteilungen vorzuziehen wie auch, diese erst ganz zum Schluss zu behandeln.
  5. Insbesondere, wenn der neue Standort bis zum Termin noch umfassend umgebaut oder gar errichtet werden muss, sollte unbedingt versucht werden, eine Ausweichoption für den Notfall bereitzuhaben – hierbei hängt einfach zu vieles von den Terminierungen der ausführenden Baufirmen ab, welche zu häufig nicht eingehalten werden können. Das heißt, es sollte beispielsweise Bürocontainer für den Notfall geben oder zumindest das Büropersonal schon vor dem Umzug ins Home-Office geschickt werden, damit wenigstens dieser Teil des Unternehmens nahezu ohne echten Bruch weiterarbeiten kann.
  6. Ebenfalls vor dem Umzug sollte großmaßstäblich Inventur gemacht werden. Nicht nur, um die Bestände zu katalogisieren, sondern auch, um herauszufinden, was beim Standortwechsel zurückgelassen werden kann – beispielsweise ist ein solcher Umzug erfahrungsgemäß eine gute Gelegenheit, über die Jahre zu „Stückwerk“ zusammengewachsene, möglicherweise veraltete IT gegen ein neues, homogenes System zu ersetzen.
  7. Unmittelbar vor dem Umzug muss sichergestellt sein, dass am neuen Standort alles via „Plug and Play“ funktioniert und dass für jede Abteilung die richtigen Techniker vorhanden sind, um alles schnellstmöglich wieder zu installieren und in Betrieb zu nehmen. Dieser Anlass ist auch einer der wenigen Fälle, in denen eine betriebsweite Urlaubssperre rechtens ist.
  8. Der Umzug sollte, wenn alles vorbereitet ist, möglichst „in einem Rutsch“ erfolgen. Bei kleinen Unternehmen kann dies durchaus in einem Tag vollzogen werden. Als unsagbar wertvoll zeigen sich dabei immer wieder kleine analoge Handreichungen: Klebeschilder auf Türrahmen mit den Namen der Mitarbeiter, Handzettel mit Lageplänen und immer wieder sorgfältig beschriftete Kartons – hier sind es wirklich die Details, die den Unterschied zwischen reibungsloser Verlagerung und oft wochenlangem Chaos ausmachen, weil wichtige Elemente unauffindbar sind.
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Und auch wenn dieser Schritt enorm einschneidend ist, so sollten gerade die Verantwortlichen des Hauses versuchen, keine „Schockstarre“ aufkommen zu lassen. Viele Firmen bekommen deshalb nach einer Standortverlagerung anfänglich Probleme, weil sie zulassen, dass in den ersten Tagen und Wochen nachlässig gearbeitet wird; dies wird häufig damit entschuldigt, dass sich erst noch alles „einschleifen“ müsse. Bei einem gut geplanten und durchgeführten Umzug ist eine solche Phase nicht nötig. Außerdem ist jeder Tag, den das Unternehmen am neuen Standort nicht mit Volllast arbeiten kann, ein verlorener. Auch so wird es noch genügend Verzögerungen geben, weil neues Personal eingearbeitet werden muss. 

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