Vor Gericht Hohe Haftstrafen im Loverboy-Prozess

Wuppertal · Erst weinte der eine, dann hielt sich der andere die Hände vors Gesicht. Derweil verfolgte der jüngste der drei Angeklagten im Loverboy-Prozess die Urteilsverkündung nahezu regungslos. Zum Prozessauftakt im August hatten sie noch gelacht und ihren Angehörigen im Gerichtssaal zugewinkt. Dort herrschte jetzt nach der Urteilsverkündung auch sichtliches Entsetzen und Tumult - einige der Verwandten brachen so laut in Tränen aus, dass das Gericht den dicht gedrängten Zuschauerraum teilweise räumen lassen musste.

Alle drei Angeklagten müssen hinter Gitter.

Foto: Mikko Schümmelfelder

Zuvor hatte Richter Ulrich Krege hohe Haftstrafen gegen zwei Wuppertaler verkündet, sie waren wegen Zwangsprostitution, Zuhälterei und diverser Raubtaten angeklagt worden. Das Strafmaß für den älteren der beiden Hauptangeklagten: sechs Jahre und sechs Monate Haft. Gegen den Jüngeren wurden fünf Jahre Haft verhängt. Der dritte, noch jugendliche Mittäter muss die gegen ihn verhängten zwei Jahre und neun Monate in einer Jugendhaftanstalt absitzen. Ihm wurde Beihilfe zu den von seinen Kompagnons begangenen Taten vorgeworfen.

Von der Staatsanwaltschaft war den beiden Männern mit türkischer und deutscher Staatsbürgerschaft (31 und 22 Jahre) und dem aus Mazedonien stammenden Jugendlichen (17) zuvor vorgeworfen worden, mehrere Frauen unter Vorspielung falscher Gefühle zur Prostitution gezwungen zu haben. Die beiden älteren Angeklagten sollen ehemals Nachbarn gewesen und sich später in einer Shisha-Bar in Wetter wiedergefunden haben. Seinen glamourösen Auftritt ließ sich der ältere der beiden demnach schon damals von einer verliebten Prostituierten finanzieren. Die Vorteile eines solchen Lebens vor Augen, schien es wohl leicht, den Freund und Bewunderer ebenfalls in das „Gewerbe“ einzuführen. Eine 17-Jährige, aus einem Essener Bordell von einem anderen Zuhälter übernommen, war die nächste, die an das Märchen der großen Liebe zum Älteren glaubte. Sie schaffte das Geld für teure Mietwagen und die Renovierung einer Shisha-Bar in Wuppertal an – dass ihr Lover bereits verheiratet war und diese Shisha-Bar auf den Namen seiner Frau eingetragen war, wurde ihr lieber verheimlicht.

Zusammen mit einer 20-jährigen Kollegin, die sich in den Jüngeren der Hauptangeklagten verliebt hatte, wurde das Geschäft ausgeweitet: Erst in einer gemeinsamen Wohnung in der Westkotter Straße, später in einem Hotel in Düsseldorf-Bilk und dann wieder in Wuppertal, diesmal in der Bredde. Die Freier wurden über ein Kleinanzeigen-Portal dorthin gelockt. Allerdings war Düsseldorf zu weit weg für eine strenge Kontrolle, es gab immer mehr Streit mit den Mädchen wegen eigener Partys mit Männern. Die Jüngere wurde mit einer silbernen Pistole bedroht, die Ältere geohrfeigt und an den Haaren über den Boden geschleift. Bis November 2017 war es dann eine Wohnung in der Vogelsaue, in der sie mit Gewalt und mit vorgehaltenem Messer zum Arbeiten gezwungen wurden. Der protestierenden 17-Jährigen wurde dann der Verkauf ins Ausland angedroht – und sie wäre von niemandem vermisst worden, gab sie bei der Vernehmung vor Gericht an.

Um sie „weiter am Laufen zu halten“, sollen die Angeklagten den Frauen, unter denen mittlerweile auch eine 14-Jährige gewesen sein soll, immer wieder teure Geschenke gemacht, sich entschuldigt und ihnen außer Liebe auch finanzielle Probleme vorgetäuscht haben. Eines der Opfer soll sogar nach einer bereits vollzogenen Trennung zu einem der Angeklagten zurückgekehrt sein. Bei einer 18-Jährigen klappte die Masche nicht so gut: Als sie sich weigerte, für die Männer anschaffen zu gehen, soll sie auf Geheiß der Angeklagten einen Kredit über 16.000 Euro aufgenommen und ihnen das Geld bar gegeben haben.

Der damals noch 16-jährigen Mitangeklagte, als Praktikant in der Shisha-Bar tätig, hatte die Masche der Älteren schnell durchschaut. Seine Aufgabe wurde es wohl dann, die Frauen von der Ernsthaftigkeit der Gefühle der beiden Haupttäter zu überzeugen und sie so mit Blick auf eine gemeinsame Zukunft „bei der Stange“ zu halten – sein Lohn: Mitfahrten in teuren Leihwagen und die Aussicht auf hochmodische Sneakers.

Nach einem kurzen Intermezzo in der Breslauer Straße machte man in der Nähe der Shisha-Bar gemeinsame Sache mit einer Kollegin, deren Mann in Haft saß. Deren Wohnung wurde kurzerhand umgewidmet. Als zwei der Opfer fremde Männer zum Feiern eingeladen hatten, soll dann der ältere Angeklagte einer der Frauen - einer Prostituierten aus Essen - ein Kissen ins Gesicht gedrückt haben. Im Zeugenstand hatte die junge Frau von ihrer Todesangst erzählt - sie habe befürchtet zu ersticken und geglaubt, nun sei alles vorbei. Sie trennte sich von dem älteren der beiden Hauptangeklagten und wechselte zu dem Jüngeren, der nie gewalttätig war – dass die beiden miteinander in Verbindung standen, schien sie nicht gewusst zu haben. Dass sie den 22-Jährigen immer noch liebt, gilt für den Vorsitzenden Richter als Beweis dafür, dass „die Loverboy-Masche hervorragend funktioniert hat“.

Das Ende dieser Geschäfte kam mit einer neuen Geschäftsidee: dem Raub von teuren Handys. Durch Sex-Kleinanzeigen wurde gelockt, auch mit angeblich homosexuellen Kontakten. Aber bereits im Flur wurde einem Leverkusener nach einem heftigen Faustschlag das Nobel-Handy geraubt. Bei einem zweiten Raubversuch in Schwelm wehrte sich der Angegriffene derart, dass er das Haus verlassen und die Polizei alarmieren konnte. Die verhaftete die Täter umgehend.

Die Quittung für die beiden Haupttäter hätte deutlich höher ausfallen als die sechs Jahre und sechs Monate beziehungsweise fünf Jahre sowie zwei Jahre du neun Monate für den Jugendlichen, erklärte der Vorsitzende Richter, der den Angeklagten zu Gute gehalten hatte, von Beginn an geständig und kooperativ gewesen zu sein - bis hin zum Bemühen um einen Täter-Opfer-Ausgleich.

Die bereits verjubelten Gelder der Liebesdienste, allein beim 31-jährigen Haupttäter etwa 45.000 Euro, werden der Staatskasse zugeschlagen – ein Schuldenberg, der es nach der Haft nicht einfach machen wird.