"Es war eskaliert"

Der Wuppertaler Kirchenmusiker Joachim Dorfmüller gastierte ab 1981 mehrmals in der DDR — auch im Herbst 1989. So wurde er Zeitzeuge des historischen Mauerfalls.

Die Einreiseformalitäten waren geregelt, die Konzertprogramme verschickt, der Wagen zur Inspektion gebracht: Für Joachim Dorfmüller konnte im Herbst 1989 die Reise in die DDR beginnen. Zwar hatte sich die Situation in den Wochen zuvor zugespitzt, Schweigemärsche und Friedensgebete gehörten zur Tagesordnung, doch an eine bevorstehende "Wende" dachte noch niemand.

Die Reise des Musikers sollte am 6. Oktober in der Leipziger Thomaskirche beginnen und am 12. Oktober im Dom zu Zwickau enden. "Nach meiner Ankunft in Leipzig besuchte ich meine Cousine, die als Ärztin im Krankenhaus arbeitete. Dabei erfuhr ich, dass man eine Station geräumt habe, um für Notfälle vorbereitet zu sein, und dass der Vorrat an Blutkonserven aufgestockt worden sei".

Zum am Abend geplanten Konzert kam es nicht: Die Thomaner sangen in Berlin beim Jubiläum der DDR, die Thomaskirche war abgeriegelt und ohne Strom. Dafür gab es ein großes Polizeiaufgebot, Straßensperren und Wasserwerfer, erste Schüsse waren zu hören. Auch das nächste Konzert im Gewandhaus fiel den Protesten zum Opfer, so dass Dorfmüller Leipzig in Richtung Werdau verließ. Hier, so wie in zwei weiteren Erzgebirgsorten, konnte der Musiker seine Orgelkonzerte geben. "Über Westradio bekam ich mit, dass die Situation im nächsten Auftrittsort Dresden eskaliert war. Demonstrationen, Prügeleien, Verhaftungen, zur Kirchenmusikschule wäre ich gar nicht durchgekommen".

Auf der Rückfahrt gab es kaum noch Grenzkontrollen, "doch noch konnte ich nicht glauben, dass die DDR bald Vergangenheit werden sollte", erinnert sich Dorfmüller an diese Woche im Oktober 1989.

Einen ausführlicheren Bericht gibt es auf www.evangelisch-wtal.de

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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