Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Bahnhof Elbenfeld

Das ist doch mal ein Satz, an dem man hängen bleibt: "Herzlich willkommen in Wuppertal, der Kulturstadt im Ruhrpott".

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Mit dieser freundlichen Ansage wird begrüßt, wer die Homepage der Verleih-Station "Wuppertal-Zentrum" des Autovermieters Sixt aufruft. Das sollte uns zu denken geben, denn Sixt ist ja nicht irgendwer. Immerhin wurde nach diesem Unternehmen sogar eine bedeutende Kapelle im Vatikan benannt.

Irgendwo in der Firmenzentrale, die in Pullach bei München sitzt, hat man nun also herausgefunden, dass Wuppertal die Kulturstadt im Ruhrpott ist. Schon sehe ich sie vor mir: Tausende rußverschmierte Wuppertaler Kumpel, die abends nach einem harten Tag auf der Zeche Döppersbergmannsheil zusammenkommen, um im Chor "Glück auf, der Steiger kommt mit der Schwebebahn" zu singen und Pilsbier zu trinken. Und nicht nur der aus den Tiefen der Flöze aufsteigende Gesang lohnt die Anmietung eines Fahrzeugs in der Verleih-Station Wuppertal-Zentrum. Denn die Sixt-Homepage weiß auch:

"Für Kulturinteressierte ist Wuppertal genau die richtige Stadt: Sie bietet nicht nur eine Diversität an Museen, sondern auch verschiedenste Theater und Veranstaltungen."

Nun gibt es sicherlich Stimmen, die sagen würden, dass speziell die Diversität unserer städtischen Theater etwas nachgelassen hat. Aber aus München kann man das mit bloßem Auge vielleicht nicht ganz so gut erkennen.

Immerhin hat sich aber sogar bis dort unten herumgesprochen, dass im Schatten unserer Fördertürme ein ganz besonderes Verkehrsmittel unterwegs ist:

"Die Schwebebahn, als Wahrzeichen der Stadt, sollten unbedingt besucht werden und lässt sich binnen weniger Minuten mit einem Leihwagen erreichen."

Ein Satz, der jeden Deutschlehrer und jeden Wuppertaler ins Koma fallen lassen dürfte. Von Deutschlehrern aus Wuppertal ganz zu schweigen. Zur tendenziell noch nicht wirklich gefestigten Grammatik kommt das Problem, dass sich die Sixt-Station Wuppertal-Zentrum im Untergeschoss des Intercity-Hotels am Döppersberg, und damit etwa 100 Meter von der nächsten Schwebebahn-Haltestelle entfernt, befindet. Dem Ortskundigen erscheint es damit zumindest zweifelhaft, ob sich die Anmietung eines Leihwagens für den Transfer zur Schwebebahn wirklich lohnt.

Richtig böse sein kann man den Heimatdichtern aus dem Hause Sixt aber nicht. Denn fast so, als wollte man die diversen Wuppertal-Patzer mit einem einzigen Geniestreich wieder gutmachen, findet sich ein paar Zeilen weiter der geradezu poetische Hinweis auf unseren bekannt märchenhaften Hauptbahnhof. Die Verleih-Station, freut sich Sixt,

"...liegt nur wenige Meter vom Bahnhof Elbenfeld entfernt."

Ist das nicht herrlich? Elbenfeld, das Schienenverkehrs-Drehkreuz für kleine Hobbits mit großen Füßen und allerlei andere magische Geschöpfe, die von hier aus ins Auenland rund um unseren idyllischen Bahnhof ausschwärmen. Elbenfeld, wo man an diesem Wochenende tatsächlich auf Gleis 1 jedes noch so kleine Vöglein zwitschern hört, weil die Bahn ganz Wuppertal mal eben komplett aus dem Fahrplan gestrichen hat. Elbenfeld, du Perle im Großstadtrevier, ich häng' an dir!

Und wenn ich mir hier jemals ein Auto miete, um zur Schwebebahn zu fahren, dann ganz bestimmt bei Sixt. Falls die bis dahin ihre Homepage überarbeiten...

Bis die Tage!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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