80. Todestag des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer und seine Beziehung zu Wuppertal

Wuppertal · Dietrich Bonhoeffer war nur ein einziges Mal persönlich in Wuppertal. Dennoch steht das weltweit größte Bonhoeffer-Denkmal in dieser Stadt. Eine Spurensuche.

Das Bonhoeffer-Denkmal an seinem neuen Standort vor dem Johannes-Rau-Gymnasium auf der Hardt.

Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal

20 Jahre lang stand das Dietrich-Bonhoeffer-Denkmal auf der Hardt an der Ecke Gottfried-Gurland-Straße / Dietrich-Bonhoeffer-Weg. Im Schatten eines Baumes wurde es an dieser Stelle oft übersehen. Nun aber nimmt es rund 30 Meter weiter einen prominenten Platz unter freiem Himmel und direkt vor dem Johannes-Rau-Gymnasium ein. Pünktlich zum 80. Todestag des Theologen und Widerstandskämpfers am 9. April hat das Denkmal damit eine bedeutende Aufwertung erfahren.

Tatsächlich hat das Denkmal eine bewegte Geschichte. 2005 von dem Künstler Helmut Schön installiert, war es zehn Jahre lang Teil eines Doppeldenkmals, das auch an den ehemaligen NRW-Justizminister Josef Neuberger erinnerte. Neuberger wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft ebenfalls von den Nazis verfolgt, überlebte aber den Terror – anders als Bonhoeffer. Zwar steht die Neuberger-Stele heute vor der Justizvollzugsanstalt in Ronsdorf. Die auf der Hardt verbliebene Schwester-Stele wirkt dennoch alles andere als verloren.

Protokollnotiz des Bruderrates vom 4. Juni 1945 zur Wiedereröffnung der Kirchlichen Hochschule Wuppertal: „Wenn es gelingt, Lic. Bonhöffer aufzufinden, soll er an der Arbeit dieser Kurse beteiligt werden.“

Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal

Im Gegenteil. Im warmen Sonnenlicht des noch jungen Frühlings laden das verschmitzte Gesicht auf der hellen Steintafel und die Inschrift auf der rostfarbenen Stele ein, sich dem Denkmal zu nähern. Dabei zeigt sich schnell, dass es den menschlichen Betrachter weit überragt. Tatsächlich ist das Bonhoeffer-Denkmal mit einer Höhe von 2,80 Meter wohl das größte weltweit. Auch in anderen Städten – etwa in Berlin, Hamburg, London oder Ansbach – gibt es Bonhoeffer-Denkmäler. Sie ragen alle weit mehr als einen Meter in die Höhe, größer als 2,80 Meter aber sind sie nicht.

Würde das größte Denkmal Bonhoeffers in Berlin oder London stehen, also dort, wo Bonhoeffer lange lebte, würde das wohl niemanden wundern. Aber in Wuppertal? Schließlich war Bonhoeffer nur ein einziges Mal persönlich in dieser Stadt. Fakt ist: Bonhoeffer hat zwischen Barmen und Elberfeld große Spuren hinterlassen. Sein Erbe lebt hier bis heute fort.

1939 tauschte sich Bonhoeffer in Elberfeld mit Pfarrer Hermann Albert Hesse aus Bonhoeffer war Mitglied der Bekennenden Kirche, die mit der Veröffentlichung der Barmer Theologischen Erklärung am 31. Mai 1934 ihren Widerstand gegen die Gleichschaltungspolitik der Nazis öffentlich zum Ausdruck brachte. Obwohl Bonhoeffer nicht persönlich an der Barmer Bekenntnissynode teilnahm – er war zu dieser Zeit Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinden in London – nahm er großen Anteil an der Entwicklung der evangelischen Kirche in Deutschland und den Geschehnissen in Wuppertal. Seinem Einsatz und seiner guten Verbindung zum anglikanischen Bischof George Bell war es zu verdanken, dass die ökumenische Weltkonferenz im dänischen Fanö im August 1934 eine Solidaritätserklärung für die Bekennende Kirche verabschiedete.

WR Dietrich Bonhoeffer / 1690 gebaut, 2009 entwidmet: die ehemalige Bonhoeffer-Kirche in der Paracelsusstraße.

Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal

Im Laufe der nächsten Jahre beteiligte sich Bonhoeffer mehr und mehr am Widerstand gegen das Nazi-Regime. Zwischen dem 25. und 27. Juli 1939 kam er persönlich nach Wuppertal, um sich in Elberfeld mit Pfarrer Hermann Albert Hesse auszutauschen. Wo die beiden sich trafen und was besprochen wurde, ist bis heute nicht bekannt.

Ein Jahr später stand Bonhoeffer in regem Kontakt mit dem Wuppertaler Missionsinspektor Georg Eichholz von der Rheinischen Mission, der ihn um Mitarbeit bei einer Reihe von Predigthilfen für Pfarrer der Bekennenden Kirche gebeten hatte. Der Band erschien 1941 unter dem Titel „Herr, tue meine Lippen auf“ und enthielt vier Bibelarbeiten von Bonhoeffer über das Johannesevangelium. Im Anschluss wurde Bonhoeffer nach einem Redeverbot auch ein Publikationsverbot von den Nazis erteilt.

Beim Wiederaufbau der Kirchlichen Hochschule sollte Bonhoeffer eine wichtige Rolle spielen. Am 4. Juni 1945, also nur einen Monat nach Kriegsende, trafen sich Heinrich Held, Karl Lükking und Wilhelm Niesel, die drei Bevollmächtigten des Preußischen Bruderrates für die Westprovinzen Rheinland und Westfalen, sowie die beiden Barmer Pfarrer Johannes Schlingensiepen und Harmannus Obendiek im Haus des Unternehmers Willy Halstenbach in Wuppertal-Wichlinghausen, um unter anderem über die Wiederöffnung der Kirchlichen Hochschule (KiHo) Wuppertal zu beraten.

Das Taufbecken der ehemaligen Bonhoeffer-Kirche steht heute im benachbarten Kindergarten.

Foto: Kirchliche Hochschule Wuppertal

Die KiHo Wuppertal war 1935 von Mitgliedern der Bekennenden Kirche konspirativ als „Abteilung B“ der Theologischen Schule Elberfeld gegründet worden, um die Ausbildung des akademischen Nachwuchses zu sichern. Bereits ein Jahr später aber wurde sie von der Gestapo geschlossen.

Der Kreis war sich einig, dass Bonhoeffer als Dozent beim Wiederaufbau der KiHo eine wichtige Rolle spielen sollte. „Wenn es gelingt, Lic. Bonhöffer aufzufinden, soll er an der Arbeit dieser Kurse beteiligt werden“, hielten sie in einer Protokollnotiz fest – nicht ahnend, dass dieser wenige Wochen zuvor, am 9. April 1945, im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nazis hingerichtet worden war.

Vom Gotteshaus zum Wohnhaus: die Bonhoeffer-Kirche

Zwölf Jahre später, am 26. November 1957, wurde auf Initiative von Oskar Hammelsbeck, dem Leiter der Pädagogischen Hochschule, ein Teil der Missionsstraße in Wuppertal in „Dietrich-Bonhoeffer-Weg“ umbenannt. Hammelsbeck hatte als aktives Mitglied der Bekennenden Kirche in Berlin häufig Kontakt zu Bonhoeffer gehabt und brachte als Dozent dessen Gedanken seinen Studierenden nahe.

Auch die Kirche, die 1960 in der nahgelegenen Paracelsus-Straße gebaut wurde, wurde nach Dietrich Bonhoeffer benannt. An diesem Ort erinnert heute allerdings so gut wie nichts mehr an den Theologen, da das Gotteshaus 2009 entwidmet und anschließend verkauft, entkernt und zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut wurde. Nur das Taufbecken der Kirche hat eine neue Bleibe gefunden – im Kindergarten gleich nebenan.