Botanikerin Professor Dr. Gertrud Lohaus Die Hüterin des Campuswaldes

Wuppertal · Mit 42 Bäumen auf dem Gelände des Hauptcampus an der Gaußstraße fing 2012 alles an. Die aus Göttingen berufene Wissenschaftlerin Gertrud Lohaus übernahm die Professur für Molekulare Pflanzenforschung und Pflanzenbiochemie an der Bergischen Universität Wuppertal und sichtete erst einmal das Gelände.

 Professor Dr. Gertrud Lohaus.

Professor Dr. Gertrud Lohaus.

Foto: Felix Manns / ZIM

Sie kennt die Bodenbeschaffenheit rund um das Hochschulareal, weiß, wo verdichtete Böden eine Einwurzelung unmöglich machen und legte aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der Bergischen Universität, peu à peu das neue Arboretum auf dem Campus Grifflenberg an.

Die anfangs vor allem fehlenden Linden-, Obst- und Nadelbaum-Arten hat sie mittlerweile liebevoll ergänzt. Im Gegensatz zu allen wetterfühligen Menschen im Tal, freut sich die versierte Baumkennerin über Regen, gerade im Frühjahr und Sommer, damit die jungen Bäume auch eine Chance haben. Und wenn die Natur sich verweigert, nimmt sie auch schon mal selber die Gießkanne in die Hand und hilft nach. In der Schädlingsbekämpfung verzichtet Lohaus gänzlich auf die chemische Keule und schneidet im Zweifel eher kräftig zurück.

Das Arboretum (Bezeichnung für eine Sammlung verschiedenartiger Gehölze) beherbergt mittlerweile mehr als 100 Baumarten, die man über einen beschilderten, ausgewiesenen Weg, auf ca. 1.000 Metern rund ums Hochschulgelände erlaufen kann. Dazu hat Lohaus auch eine Broschüre herausgebracht, die dem Nutzer jede einzelne Baumart vorstellt. Bilder der Blätter lassen den Laien das entsprechende Gehölz erkennen und Zusatzinformationen zu Familie, Standort, Vorkommen und Merkmalen spezifizieren die Art. Unter der Rubrik "Besonderes" erhält der Leser zusätzlich noch kleine historische oder alltagstaugliche Informationen.

Und auch andere Baumspaziergänge in Wuppertal bewirbt sie auf ihrer Homepage. Diese Baumlehrpfade entstanden als Bachelor- oder Masterarbeiten, haben alle eine andere inhaltliche Ausrichtung und sind selbstständig zu durchwandern. Für Kinder wurden GPS-geführte oder Rätsel-Routen entwickelt und die Uniprofessorin erhofft sich dadurch mehr Interesse am Wald und an der Vielfalt der Pflanzen, denn: "Menschen sind nicht mehr auf die Nahrung aus dem Wald angewiesen, haben keine Abhängigkeit mehr." Rätselrouten bieten da eine ganz neue, spannende Alternative.

Unterstützung bei der Pflege des Arboretums erhält Prof. Lohaus von Mitarbeitern des Baudezernates, Mitgliedern ihrer Arbeitsgruppe, Familie und Freunden sowie einer externen Firma, die den Baumschnitt übernimmt oder auch schon mal einen Baum fällt, falls dieser umzukippen droht.

Der Klimawandel beschäftigt die aus Nordwestdeutschland stammende Wissenschaftlerin natürlich auch. Die Fichte, in diesem Jahr zum Baum des Jahres erkoren, braucht eigentlich kühlere, feuchtere Gebiete. Auf die Frage, ob man sich um diesen Baum Sorgen machen muss, antwortet sie: "Unsere Wälder werden sich verändern, die Winter sind nicht mehr so hart. Bäume wie die Esskastanie können sich weiter nach Norden ausbreiten, aber die Fichte wird nicht verschwinden." Insgesamt werden die Antagonisten Regen und Trockenheit die Baumzusammensetzung langfristig flächendeckend verändern.

Zwei Gewächshäuser nutzen sie und ihr Team für Forschungszwecke: Einmal untersucht sie den Nährstofftransport in den Leitbahnen von Bäumen, ein andermal die Nektarzusammensetzung und Bestäubertypen — also Insekten, Vögel oder Fledermäuse — verschiedener Tabak- und Bromelien-Arten.

Phloem, die Leitbahnen der Bäume, haben eine ganz besondere wissenschaftliche Bedeutung für Gertrud Lohaus. Über diese Bahnen werden die Nährstoffe von den Blättern, wo sie produziert werden, zu den anderen Organen der Bäume transportiert. Bei diesen hauchdünnen Röhren, in die der Mensch mit seinen Werkzeugen nicht einstechen kann, kommen Tiere zum Einsatz: Blattläuse! Diese besitzen einen Saugrüssel, den sie in die Phloembahnen einstechen, um an den Pflanzensaft zu gelangen. "Und wenn die Blattläuse eingestochen haben, dann kommen wir und durchtrennen den Rüssel mit einem Laserstrahl", so Lohaus.

Der in der Blattader verbliebene Saugrüssel-Stumpf fungiert als Kanüle, aus dem winzige Mengen Pflanzensaft (quasi das "Blut" der Pflanzen) austreten, welche aufgefangen werden. Durch diese Untersuchungen können viele Fragen zum Nährstofftransport in Pflanzen beantwortet werden. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Menge des Pflanzensaftes, denn die Professorin arbeitet dann nur noch im Nano-Liter-Bereich — für den Laien eine nicht mehr vorstellbar kleine Maßeinheit.

Dass sie von ihrer Arbeit begeistert ist, erkennt man auch daran, dass die Wissenschaftlerin nicht müde wird, falsche Vorstellungen zu entkräften. Dass die Hainbuche eigentlich zur Familie der Birkengewächse gehört, die Esskastanie überhaupt nichts mit der herkömmlichen Rosskastanie zu tun hat, sondern den Buchengewächsen zuzuordnen ist, oder dass der Ginkgo bundesweit fast ausschließlich als männliche Pflanze gesetzt wird, weil die weibliche Variante im Fruchtstand unangenehme Düfte verbreitet.

Professor Lohaus ist froh, dass in vielen Städten wieder mehr Wert auf die Grünflächen im Innenstadtbereich gelegt wird und verweist auf die Vorteile für die Menschen. Ihrer Einschätzung nach begünstigen Bäume das Mikroklima der Städte, erhöhen die Luftfeuchtigkeit, spenden Schatten, halten Bodenwasser und filtern Schadstoffe aus der Luft.

Und auch den höchsten Baum Deutschlands kennt die Botanikerin. Die fast 70 Meter hohe Douglasie im Stadtwald von Freiburg kam 1913 von Nordamerika als Setzling zu uns. Im Wuppertaler Uni-Arboretum können die Besucher die kleine Variante dieses Kieferngewächses momentan unter der Nummer 69 finden.

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