Diakonie Wuppertal Ein Obdach für den letzten Weg

Wuppertal · Menschen ohne Wohnung sterben oft allein – auf der Straße, in Notunterkünften, fern von medizinischer und menschlicher Begleitung. In Wuppertal suchen Wohnungslosenhilfe und Hospizdienst die Diakonischen Altenhilfe jetzt gemeinsam Wege, um auch jenen ein würdiges Sterben zu ermöglichen, die kein Zuhause haben.

Anna Wessel (li.) und Lena Söhnchen.

Foto: Sabine Damaschke

„Bitte, lasst mich hier nicht verrecken“ – Streetworkerin Lena Söhnchen von der Diakonie Wuppertal - Soziale Teilhabe kennt Sätze wie diese, wenn sie mit schwer kranken wohnungslosen Menschen darüber spricht, wo und wie sie medizinische Hilfe bekommen können. „Viele haben Angst, dass sie alleine irgendwo auf der Straße sterben“, sagt sie. „Alle wünschen sich für ihren letzten Weg ein Dach über dem Kopf, ein Bett und auch jemanden, der bei ihnen ist, wenn es zu Ende geht.“

Genau darum soll sich die 31-jährige Sozialarbeiterin in Wuppertal kümmern. Seit einem Jahr ist sie zusammen mit einer Kollegin im Auftrag der Stadt für die Unterbringung schwer kranker oder sterbender obdachloser Menschen unterwegs – und kennt all die Hürden, die sich auftun, wenn eine Pflege- oder gar Palliativversorgung gebraucht wird.

Die Hürden der Bürokratie

„In Wuppertal haben wir die Besonderheit, dass es sogenannte Notbetten in städtischen stationären Pflegeheimen gibt, die schwerkranke obdachlose Menschen schnell aufnehmen können“, erklärt Lena Söhnchen. „Aber wenn sie keine Krankenversicherung haben und auch nicht beim Jobcenter gemeldet sind, wird es schwierig, denn dann stellt sich die Frage, wer die pflegerische und medizinische Versorgung zahlt.“

Viel Recherche und Bürokratie ist nötig, um für wohnungslose Menschen ein Obdach, einen Arzt, ambulanten Pflegedienst, einen Heim- oder Hospizplatz zu finden. So hat Lena Söhnchen schon für eine wohnungslose, an Krebs erkrankte Frau in der Notunterkunft eine Chemotherapie organisiert und für einen sterbenskranken jungen Obdachlosen einen Platz im Pflegeheim.

Scham und Misstrauen überwinden

„Aber es braucht mehr als die medizinische Versorgung“, stellt sie fest. Denn wohnungslose Menschen haben oft Probleme, sich an die vorgegebene Tagesstruktur anzupassen. Hinzu kommen Scham und Misstrauen. „Das führt nicht selten dazu, dass sie alleine, ohne Trost und ein letztes Gespräch in funktionalen, unpersönlichen Räumen sterben.“

Dabei habe jeder Mensch ein würdiges Sterben verdient, das individuelle Wünsche berücksichtige, betont Anna Wessel vom Hospizdienst „Die Pusteblume“ der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal. „Das schließt wohnungslose Menschen ein, die die Hospizbewegung bislang wenig im Blick hatte.“ Erste Dienste machen sich nun auf den Weg, das zu ändern. Dazu gehört auch die Pusteblume mit ihren 90 Ehrenamtlichen und ihrem breiten Netz an Pflegediensten und Heimen, mit denen sie zusammenarbeitet.

Ehrenamtliche schulen

„Wir wollen einerseits dabei unterstützen, schneller Unterbringungsmöglichkeiten und eine gute Palliativversorgung für wohnungslose Menschen zu finden, andererseits aber auch eine passende Sterbe- und Trauerbegleitung bieten.“ Dafür sollen nun Ehrenamtliche gefunden und vorbereitet werden.

Denn Menschen, die lange auf der Straße gelebt haben und in einer Parallelwelt mit eigener Infrastruktur – Übernachtungsstätten, Wohnunterkünften, Wärmestuben und Tafeln – unterwegs waren, „ticken anders“, wie Streetworkerin Lena Söhnchen weiß. „Ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen werden wahrscheinlich mehr Geduld und Kreativität brauchen, wenn es um Zuverlässigkeit, Hygiene oder Sucht geht – und Empathie für einen raueren Umgangston auf der Straße.“

Auf der Straße wird schneller gestorben

Das gilt nicht nur für die Sterbe-, sondern auch für die Trauerbegleitung. Wer obdachlos ist, stirbt in der Regel schneller. Witterung, schlechter Schlaf, mangelhafte Ernährung, Gewalterfahrung, Angst und Stress, in Armut zu leben, beeinträchtigen die Gesundheit. Hinzu kommen psychische Diagnosen, Suchterkrankungen, Intoxikation und Infektionserkrankungen.

Menschen in der Wohnungslosigkeit müssen also häufig einen frühen Tod ihrer Nahestehenden verkraften. „Auch hier möchten wir im Hospizdienst und der Wohnungslosenhilfe zusammenarbeiten, damit sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind“, betont Anna Wessel.