25 Jahre „Tacheles“ „Bundesweite Ausstrahlung“

Wuppertal · Wie fast alles hat auch der Wuppertaler Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein „Tacheles“ klein angefangen: Vor 25 Jahren am Küchentisch von Harald Thomé. Der ist jetzt 57, und nach wie vor der Kopf des längst auch deutschlandweit beachteten Vereins. Sogar für das Bundesverfassungsgericht ist „Tacheles“ zurzeit Anhörungs-Experte, wenn es um die Rechtmäßigkeit von Hartz-IV-Sanktionen geht.

 Harald Thomé (links) und sein Kollege Frank Jäger.

Harald Thomé (links) und sein Kollege Frank Jäger.

Foto: Max Höllwarth

Überhaupt – Hartz IV und damit automatisch das Jobcenter: Darum geht es vor allem bei „Tacheles“ im Bahnhof Loh. Harald Thomé sieht eine unheilvolle Spirale: „Wie heute mit Sozialleistungen umgangen wird, führt zu Verarmung und Ausgrenzung. Das führt zur Abkoppelung von der Gesellschaft, und das wieder sehr, sehr oft politisch in Richtung rechts.“ Thomé hat „Tacheles“ von Anfang an gegen diese Gegner positioniert: die soziale Entrechtung von Hartz-IV- und Sozialhilfeempfängern sowie gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Bei „Tacheles“ ist das eine nicht vom anderen zu trennen.

Zehn Berater und Rechtsanwälte sind bei „Tacheles“ aktiv, das gesamte Team umfasst etwa 20 Leute. Der Schwerpunkt liegt in Wuppertal, man ist, so Thomé, sehr gut vernetzt – und „ganz klar ein nicht unbedeutender Player mit bundesweiter Ausstrahlung“. Unzählige juristische Auseinandersetzungen wurden während der 25 Jahre geführt – „und“, sagt Harald Thomé, „es gibt kaum eine Gesetzgebung im Sozialgesetzbuch II, die wir nicht mit beeinflusst und dabei kleinere oder auch große Veränderungen erstritten haben.“

Dass es bei all diesem Streiten immer wieder um das Wuppertaler Jobcenter geht, liegt in der Natur der Sache – und Harald Thomé schwer im Magen.

„Höchst problematisch“ findet er den Umgang der lokalen Sozialbehörden mit den Betroffenen, sieht auch hier eine Folge dessen, dass die ganze Stadt unter einem von der Rathausspitze diktierten Sparzwang stehe. Dem Jobcenter wirft Thomé vor, dort gehe es hauptsächlich darum, statistisch zählbare Positivpunkte zu sammeln.

Er sagt: „Das ist eine völlig ausgeuferte Verwaltung, die sich verselbstständigt hat. Immer, wenn wir gravierende Missstände thematisieren, heißt es dann, das hätte nicht passieren dürfen, ändern tut sich aber nur etwas, wenn massiv Druck ausgeübt wird.” Passend dazu gebe es unter dem Motto „Bedauerliche Einzelfälle des Jobcenters Wuppertal“ auf Facebook „reihenweise“ gelistete Fälle.

Nach bundespolitischen Zeichen der Rücknahme oder Abschwächung der Hatz-IV-Gesetze gefragt, winkt Thomé ab: „Wir haben eine Phase der Gesetze mit schönen Namen. Aber warum steht nichts davon im Koalitionsvertrag?“

Schon deutlich mehr Potenzial sieht er im Bundesverfassungsgerichtsverfahren wegen der Hartz-IV-Sanktionen, wo das Urteil im Juni erwartet wird. Für Thomé steht fest, dass das Beschneiden des Hartz-IV-Geldes unrechtmäßig ist – und dass das auch bestätigt werden wird.

25 Jahre „Tacheles“ – wie sieht die Zukunft aus? „Die Arbeit wird uns leider nicht ausgehen. Wir sehen uns als Verteidiger der sozialen Rechte“, sagt Harald Thomé.

Geld dafür aufzutreiben, ist jedoch nicht einfach: Die NRW-Förderung als Arbeitslosenzentrum beispielsweise soll in zwei Jahren komplett gestrichen werden. Und die Zukunft des Sozialstaates? Die „Tacheles“-Position ist klar: Ein um 200 Euro höherer Regelsatz als der jetzt aktuelle von 424 Euro, plus Miet- und Heizkosten. Fast noch wichtiger aber seien „echte“ Förderung und Chancenvermittlung auf Augenhöhe.

Harald Thomé: „Langzeitarbeitslosigkeit verhindert man nur durch wirkliche Qualifizierung und dazu passende Anreize. Es darf nicht darum gehen, nur die stets gleichen Förderträger mit ihrem immer gleichen Maßnahmenkatalog zu bedienen, um dann schöne Statistiken und Zahlen zu haben. Ich erlebe die überwiegende Zahl der Menschen, die in unsere Beratung kommen, so: Sie wollen echte Weiterbildung und echte Qualifizierung. Und vor allem, sie wollen arbeiten.“

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