Fragwürdig

Betr.: Primark am Döppersberg, Rundschau-Kommentar vom 18. Februar

Hendrik Walder findet es gut, dass sich Primark an exponierter Stelle ansiedeln darf, und rechtfertigt dies damit, dass andere Textilanbieter auch nicht besser seien. Dass andere nicht besser sind, stimmt natürlich. Aber legitimiert dies dazu, solch zweifelhafte Geschäftspraktiken auch noch mit bestmöglichem Standort zu belohnen?

Nun haben in der Regel Stadt und politische Instanzen sicherlich richtigerweise keinen Einfluss auf die Eigentümer in der Wahl von Mietern. In diesem Fall hätte die Stadt aber diesen Einfluss gehabt. Was sie unter welchen Bedingungen wem und dann noch so preiswert verkauft, unterliegt weitgehend der Vertragsfreiheit. Folgerichtig hätten die Verhandlungsdelegierten und später die Ratsmitglieder zeigen können, dass Werte, Anstand und Moral doch noch eine Bedeutung besitzen. Stattdessen setzten diese aber auf das einseitige, vernebelnde und mehr als fragwürdige Arbeitsplatzargument.

Fragwürdig deshalb, weil nach den Gesetzen der Volkswirtschaftslehre zusätzliche Arbeitsplätze nur im Kontext von Wachstum beziehungsweise steigendem Volkseinkommen (das auch konsumiert wird) entstehen können. Alles andere führt zu einem bestenfalls Nullsummen bringenden Verdrängungswettbewerb — also Arbeitsplätze gegen Arbeitsplätze.

Und wenn von 500 Arbeitsplätzen die Rede ist, können wir ja gemeinsam bei Primark in Essen, Köln oder Dortmund Arbeitsplätze zählen. Fazit: Kurzsichtigkeit und Doppelmoral haben sich durchgesetzt — bei den vielen veröffentlichten Beiträgen aus allen Bevölkerungsgruppen vermutlich gegen die Mehrheit der Wuppertaler Bevölkerung. Da wird man möglicherweise noch viele Millionen an Propaganda ausgeben müssen, damit Politik(er)verdrossenheit nicht zur Wut gegen Politiker ausartet.

Klaus Schneider-Ott, Brucknerweg

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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