Bibel und Italo-Western

Betr.: "Rex"-Kino, "Aus dem Tagebuch der Redaktion", Rundschau vom 4. März

An diesem Kino kam ich nicht vorbei, weil es auf dem Schulweg lag. Warum ich immer auf dieser Seite des Kipdorf unterwegs war und nicht auf der anderen am "Capitol" vorbei, weiß nur der Kinogott. Den muss es damals im religiös so vielfältigen Wuppertal auch gegeben haben, denn das Kino-Angebot war — in den 60er Jahren — beeindruckend: Außer "Rex" und "Capitol" gab es vor allem das legendäre "Thalia", neben Glanzstoff das "Apollo", wie das "Thalia" ein Kinopalast alter Herrlichkeit mit mehreren Emporen und blattgold-verzierten Brüstungen, das "Moderne am Wall" und den "Fünf(!)-Theater-Palast", dessen Kinos sich später auf wundersame Weise vermehrten, während andere wie das "Apollo" und das "Moderne am Wall" dicht machten und das "Thalia" zugunsten des Sparkassenhochhauses buchstäblich platt gemacht wurde. Schade drum, damals wie heute.

Zurück zum "Rex": Fernsehen steckte noch in den Kinderschuhen, wir hatten keines. Also war Kino der letzte Schrei, und hingehen so etwas wie eine christliche Gebetsstunde. Ich ging meist mit meinem Freund Paul, weniger mit Mädels (zum Knutschen war es auf der Hardt viel schöner), und da wir beide aus frommen Familien kamen, machten wir es lieber heimlich, was den Exkursionen noch einen zusätzlichen Spannungsmoment verlieh. Schinken wie "Die Bibel" (von John Houston, Überlänge) mussten deshalb nicht unbedingt sein. Angesagt waren dagegen die ersten Italo-Western, vor allem "Django" mit Franco Nero ("Die Geier warten schon", "Sein Gesangbuch war der Colt" — also doch glaubens-affin…), natürlich US-Western wie "Die gefürchteten Vier" (mit Burt Lancaster). Wir sahen das "Kanonenboot am Yangtse Kiang" über den chinesischen Bürgerkrieg (mit Steve McQueen).

Meine Mutter stellte meinen Freund Paul einmal wegen der vielen Kinobesuche zur Rede. Er hatte eine entwaffnende Antwort in bestem Ölberg-Slang: "Wir kucken eben so gerne Filme, Frau Kroemer!"

Michael Kroemer, Stortsweg, Dortmund

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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