Leserbrief „Das große Verbiegen war gar nicht notwendig“

Betr.: Verkehrsplanung in Wuppertal

Symbolbold.

Symbolbold.

Foto: Rundschau

Vielleicht erinnert sich jemand: Vor Jahren war die Wettinerstraße auf Lichtscheid voller Schlaglöcher und die Stadt hatte wohl kein Geld, um den Straßenbelag zu erneuern. Stattdessen stellte man Tempo-30-Schilder auf, um ja nicht für Schäden an Fahrzeugen haftbar gemacht werden zu können. Die Schilder waren also tatsächlich gar keine Verkehrsschilder mehr, sondern bloße Haftungsausschlüsse. Gipfel des städtischen Wachkomas war dann, dass dort vermehrt geblitzt wurde.

Ähnlich borniert wurde nun in der Hünefeldstraße verfahren, bloß geht es diesmal um Radwege. Seit kurzem sind in der Hünefeldstraße die Radwege neu konzipiert – wobei das ein krasser Euphemismus ist, hier überhaupt von Konzept zu sprechen, genauso gut könnte man jedem Hochstapler Konzept unterstellen, denn auch der Betrug erfordert ein gewisses Maß an Überlegung.

Zuvor waren die Radwege in der Hünefeldstraße, wie es generell so üblich ist, den Bürgersteigen abgetrotzt. Nach der Neugestaltung wurde nun ein Teil der alten Radwege für zehn (!) nagelneue und eher sinnfreie Halteverbotsschilder samt Rohrpfosten verbraucht, aber davon abgesehen haben die Fußgänger nun wieder ihren Bürgersteig für sich, und die Radwege sind auf die Straße verlegt worden.

Der Betrug beginnt damit, hier überhaupt auf Radwege schließen zu sollen – und das wird einem nahegelegt, weil auf der Straße frisch aufgemalte Radwegsymbole genau das behaupten, nämlich dass es sich um Radwege handeln soll. Aber das ist, legt man die Straßenverkehrsordnung zugrunde, glatt gelogen, weil es in der Hünefeldstraße für Autos gar nicht möglich ist, Radfahrer im geforderten Abstand von 1,50 Meter zu überholen, dafür ist die Straße viel zu eng. Würde man statt der sich in Abständen wiederholenden aufgemalten Symbole die „Radwege'“ durch eine durchgezogene Linie abgrenzen, wäre gleich offensichtlich, dass kein Auto mehr durch die Hünefeldstraße fahren könnte, fahren dürfte.

Kurzum, die Symbole können hier gar nicht Radwege bedeuten, sondern bedeuten schlicht und einfach, dass Radfahrer die Straße nehmen sollen, aber dafür brauche ich keine Symbole, das ergibt sich ohnehin von selbst, wenn kein Radweg in Sicht ist. Der vollendete Betrug besteht dann darin, dass diese Vorgehensweise dennoch suggeriert, hier sei verkehrsplanerisch irgendetwas geregelt worden, wo man in Wahrheit bloß wieder zur bequemsten Lösung zurückgekehrt ist: Radfahrer auf die Straße!

Als Verkehrsplaner muss man das wohl erstmal schaffen, sich geistig-kulturell dermaßen verbiegen zu können, um dem Ungeregelten den Anschein von Regelung zu verpassen – wo habe ich dieser Tage noch gelesen, dass die „deutschen Tugenden“ vermisst werden? Na hier jedenfalls haben sie sich selbst übertroffen, die deutschen Tugenden, und ganz offenbar war das große Verbiegen somit gar nicht notwendig.

Wie linkisch dieses konzeptlose Konzept von Verkehrsplanung in seiner Gesamtheit ist, wird aber erst so richtig sichtbar, wenn man auf dem Rad die Hünefeldstraße, die eine Einbahnstraße ist, in Gegenrichtung befährt. In Gegenrichtung geht es dann nicht mehr ums Überholen, sondern ums Aneinandervorbeifahren. Konsequenterweise müssten entgegenkommende Autos dann jedes Mal anhalten, damit man auf dem „Radweg“ sicher vorbeifahren kann – aber wer hält hier an? Natürlich niemand, kein Radfahrer, und schon gar kein Autofahrer, völlig lebensfremd.

Auch hier, in der Gegenrichtung, suggerieren die aufgemalten Symbole unscharf irgendeine Form von Berechtigung, die im Extremfall bloß zu üblen Missverständnissen führt, aber im Normalfall letztlich doch wieder nur darin mündet, dass sich Radfahrer und Autofahrer schlicht adäquat zu verhalten haben – und gerade solche Tugenden werden durch Planung (hier: Pseudoplanung) konterkariert, wenn nicht untergraben.

Dirk Overbeck

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