Zwei neue Romane aus und über Wuppertal Diese Stadt – und ihr Sound

Wuppertal · Jetzt geht es um zwei neue Romane: Sehr verschieden sind sie, sehr eindringlich – und Wuppertal spielt in beiden eine Hauptrolle.

"Nowhere Heart Land" von Emily Marie Lara ist im Pola-Verlag erschienen und kostet im Buchhandel 22 Euro.

Foto: Pola-Verlag

„Nowhere Heart Land“ – das klingt wie der Titel eines harten US-Roadmovies. Der Debütroman von Emily Marie Lara spielt aber nicht in der Wüste, sondern in Wuppertal. Hier kam die Autorin 1993 zur Welt – und gewann 2022 den Förderpreis der hiesigen Literatur-Biennale.

Ihr Roman erzählt die Geschichte der in Kürze 30 Jahre alt werdenden Rosa Konert. Die ging auf ein katholisches Internat auf dem Nützenberg, kommt aus London, wo sie sich mit einem Werbeagentur-Kollegen handfest angelegt hat, zurück nach Wuppertal. Das großelterliche Haus muss verkauft werden, um die Unterbringung der dementen Großmutter zu bezahlen.

„Nowhere Heart Land“ ist ein atemloser Roman: Er „verbraucht“ nicht viel erzählte Zeit – spannt sich aber weit zurück. Rosas Mutter, die starb, bevor sie 30 wurde, war auf demselben Internat. Wer ist in Wirklichkeit Rosas Vater? Wo ist Heimat? Wo sind die Freundschaften von damals? Wo gibt es Liebe? Die Achterbahnfahrt, auf die Emily Marie Lara ihre Heldin schickt, scheint unaufhaltsam in den Abgrund zu führen. Gin und Zigaretten, Einsamkeit, Sehnsucht, quälende Fragen: Rosa Konert steckt in einer tiefen Seelenkrise. Der Text schildert all das im wahrsten Wortsinn hautnah. Aufregender Lesestoff, der nur einmal, während einer Szene bei „Ikea“, den Bogen überspannt. Ein Sog von Erinnerungen und Emotionen ist das. Ganz und gar gegenwärtig erzählt. Und ganz und gar unglaublich: Der Schluss macht Hoffnung.

Ein Satz auf Seite 125 von 350 bleibt unvergesslich: „So fühlt sich dieser Herbsttag an, wie die Frage, wen man lieben darf und warum, wie ein Grollen am Himmel, wie Troja nach dem Krieg.“ Wer solche Bilder findet, dem steht eine starke Zukunft bevor.

Erschienen im Pola-Verlag, 22 Euro.

Aus ganz anderem, aber auch edlem Holz ist „Schwebebahnen“ geschnitzt: So heißt der neue 320-Seiten-Roman des längst erfolgreichen Schriftstellers Hanns-Josef Ortheil, der Teile seiner Kindheit und Jugend in den 50ern in Wuppertal verbrachte.

Der Roman "Schwebebahnen" von Hanns-Josef Ortheil ist im Luchterhand-Verlag erschienen und kostet im Buchhandel 24 Euro.

Foto: Luchterhand-Verlag

Ortheil, der wie wenige leise, einfühlsam, exakt und ganz ohne Gehabe erzählt, nimmt sein Publikum mit auf die Reise durchs Innere und die äußere Welt des noch kleinen Jungen Josef. Der zieht mit den Eltern aus Köln nach Wuppertal – und muss sich ganz neu sortieren. Das große Klavier- und Geschichten-Schreibtalent, das dem Jungen auch große Schwierigkeiten mit seiner Umwelt macht, verweist eindeutig auf Ortheils eigene Biographie.

Es gibt einiges, was Josef „rettet“ in dieser seltsamen Stadt Wuppertal, die sich ihm erst versperrt: Vor allem gute Lehrerinnen, seine Mutter, die Mutter des Nachbarsmädchens „Mücke“. Gerade „Mücke“ ist der wichtigste Anker: Man darf sagen, dass sie Josef das Leben lehrt – und das Sich-selbst-Vertrauen. Trotz vieler Ängste. Dass Freundschaft letztlich der Kern von Liebe ist, klingt da heraus – bis zum durchaus überraschenden Schluss.

Hanns-Josef Ortheil gibt ein intensives Panorama der Nachkriegszeit, verschweigt nichts – und lässt spüren, welch immense Bedeutung eine gute Schulzeit und Eltern voller Verständnis für ein Kind haben.

Darüber hinaus ist „Schwebebahnen“, in dem die Schwebebahn gar nicht so oft vorkommt, ein berührendes Stück über den hart erarbeiteten Zauber klassischer Musik, über das Geheimnis des Schreibens sowie die Kraft der Träume. Ein Ortheil eben – warm, ehrlich, nah am Menschen.

Erschienen im Luchterhand-Verlag, 24 Euro.