1888 schrieb Strindberg, Choleriker und Frauenfeind, sein bekanntestes Stück – brauchte nur 20 Tage dafür. Regisseur Stefan Maurer hat für Wuppertal daraus eine hochkonzentrierte Version gemacht, die in minimalem, aber trickreichem Bühnenbild (Luis Graninger) drei menschliche Seelen auf dem Silbertablett serviert.
Gutsbesitzertochter Julie (Nora Koenig vom Théâtre National du Luxembourg) sehnt sich nach Ausbruch aus ihrer Welt – und wirft darum ein Auge auf ihren Diener Jean (Thomas Braus). Unter die Räder kommt dabei Jeans Freundin und Verlobte, die Hausangestellte Kristin (Silvia Munzón López). Dieses Trio glitzert: Messerscharf – auch mit echten Schneidwerkzeugen in der Hand –, hart und heftig, arbeiten alle drei mit den komplexen, Mensch und Gesellschaft sezierenden Strindberg-Dialogen.
Die Nase knapp vorn in Sachen Intensität hat Nora Koenig: Die Luxemburgerin, die schon 2022 in Goethes „Stella“ zu Gast in Wuppertal war, ist kämpferische Frau, sehnsüchtiges „Weibchen“ und hartherzige Herrin. Zu Beginn mag man ihr die Führungsrolle noch nicht abnehmen, dann läuft sie sich warm. Und wie.
Thomas Braus als Diener Jean, der sich von der Liaison mit seiner Vorgesetzten mindestens den sozialen Aufstieg verspricht, bewegt sich unverwechselbar schlangengleich durch das Dickicht von Gefühl und Berechnung. Silvia Munzón López in einer ihrer sicher bisher besten Rollen versucht, die „alten“ Verhältnisse (inklusive Kirchgang & Co) aufrecht- und den Untergang aufzuhalten. Vergeblich. Sie vor allem ist es, die alles verliert.
Diese Wuppertal-Luxemburger „Fräulein Julie“ nimmt den Stoff sehr modern. Auch mit kurzem Geschlechter-Rollentausch. Die Kostüme (auch Luis Graninger) lassen keine Nostalgie-, sondern Gegenwarts-Fashion-Stimmung aufkommen. Akustik-Akzente setzt die Musik – inklusive einer todtraurigen Coverversion von Chris Isaaks „Blue Hotel“.
Und die 137 Jahre alte Handlung erweist sich als absolut von heute. Was zwischen Männern und Frauen geschehen, oder besser gesagt, schieflaufen kann, hat Strindberg schonungslos auf den Punkt gesetzt. Zeitlos. Leider. Denn Erlösung gibt es nicht.
Zum Schluss „knallt“ es noch einmal: Die Idee, das Ende in eine von bergeweise Kunstschaum überquellende Badewanne zu verlegen, verdient ganz eigenen Applaus. Genau wie das dreiköpfige Ensemble. Nach den eher indifferenten „Monte Rosa“ und „Mephisto“ ist das wieder ein sehr starkes Stück Theater.