Kommentar zur (Wuppertaler) Anti-Corona-Strategie Das „Vorbild“ 2G: Bringt es etwas?

Wuppertal · Es ist sehr nachvollziehbar, dass die Stadt angesichts der noch immer nicht rekordverdächtigen Wuppertaler Impfquote (sie liegt bei knapp über 63 Prozent, während die NRW-Vergleichszahl 69 lautet) alle Register zieht, um die Quote nach oben zu treiben.

 Stefan Seitz.

Stefan Seitz.

Foto: Max Höllwarth

Das Hauptwerkzeug, das seit einiger Zeit deswegen im Einsatz ist, heißt 2G. Diese Regel gilt für (fast) alles, was an Veranstaltungen in städtischen Gebäuden stattfindet. Auch bei Open-Air-Fußballspielen im Stadion am Zoo. Das finden viele nicht nachvollziehbar. Ich auch. Außerdem vermutet mancher darin den beziehungsweise einen Grund dafür, dass der WSV trotz zurzeit sehr guter Performance einen klaren Zuschauermangel zu beklagen hat. Darüber müsste man sicher in Sport-Fachkreisen diskutieren.

Worüber man allerdings auch diskutieren muss, ist, ob diese 2G-Regel für städtische Gebäude irgendeine Vorbildfunktion erfüllt. Das nämlich erhofft sich die Stadt – und bat deswegen bei Einführung ihrer Vorschrift darum, auch die Gastronomie und die private Veranstaltungsbranche möge sich dem freiwillig anschließen.

Die Frage ist nur: Warum sollten diese privaten Geschäfts- und Wirtschaftszweige das tun? Es gibt ja – was allerdings an der Coronaschutzverordnung des Landes NRW liegt – keine wirklichen „Vergünstigungen“ für 2G-Anwender: Ein Beispiel wäre der komplette Wegfall der Maskenpflicht in Gaststätten-Innenräumen, wenn nur noch Geimpfte oder Genesene „an Bord“ sind. Das würde ein Haufen Leute, die ich kenne – und ich selbst sowieso – sehr begrüßen.

Es ist daher völlig nachvollziehbar, dass etwa die Gastronomie nicht von ihrer bisher praktizierten 3G-Regel abweicht. Hätte ich ein Lokal, würde ich nicht riskieren, auch nur einen einzigen Gast zu verlieren. Und genau das täten ja alle, die keine Getesteten mehr einlassen würden.

Zwar höre ich aus vielen Lokalen, dass eh kaum noch Menschen mit einem Test kämen, sondern in der überwiegenden Mehrzahl Geimpfte oder Genesene. Aber man weiß ja nie, ob nicht doch jemand kommt, der den jetzt zu bezahlenden Preis eines Corona-Testes investiert hat, um etwas trinken und/oder essen zu gehen. Platt gesagt: Auf irgendwelche Einnahmen zu verzichten, kann sich kein Gastronom nach den elenden Lockdown-Durststrecken leisten. 

Der wirkliche Knackpunkt rund um 2G steht auf einem ganz anderen Blatt: Warum gibt es noch so viele ungeimpfte Menschen? Und hat die Stadt tatsächlich – wie ich oben sagte – alle Register gezogen, um die Impfquote nach oben zu treiben?

Es gibt wirklich viele dezentrale und terminfreie Impfangebote in Wuppertal. Vorbildlich! Aber gibt es auch dezentrale, terminfreie, flexible Gesprächs- und Informationsformate (in mehreren Sprachen!), um Zögerliche, Zweifelnde oder gar echte Ablehnende zu erreichen sowie im Idealfall durch gute Argumente zu überzeugen? Nein, die gibt es nicht.

Kein Wunder: Solche Angebote sind nämlich personal-, zeit- und infrastrukturintensiv. Da müsste man sehr oft – wie es in der Sportsprache so schön heißt – dahin gehen, wo es wehtut.

Anders aber als mit guter und geduldiger Überzeugungsarbeit wird es nicht funktionieren, die Zahlen der immer noch Ungeimpften deutlich zu senken. Nur 2G und damit „Pech gehabt und Draußen-bleiben-Müssen“ für alle, die meinen, dass ein Test ausreichend sei, ist einfach nur eine Vorschrift – die noch nicht einmal echte Vorteile bringt. Außerdem wird man hier immer wieder über „Spaltung der Gesellschaft“ und „Einführung einer Impfpflicht durch die Hintertür“ diskutieren müssen.

Gute Argumente und echte Impf-Anreize sehen – finde ich – doch anders aus.

Damit da übrigens kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin selbstverständlich geimpft.

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