Kommentar: Wechsel an der Spitze des Tanztheaters Ein Stück Identitätsverlust

Wuppertal · In einer Zeit, als das Tanztheater drei Jahre nach dem Tod von Pina Bausch in einer schweren Krise steckte, hat es Lutz Förster geschafft, das Ensemble zusammenzuhalten, für Stabilität zu sorgen und Wuppertals kulturelles Aushängeschild und damit ein Stück des Erbes der großen Choreographin zu erhalten.

 Rundschau-Redakteurin Sabina Bartolomä.

Rundschau-Redakteurin Sabina Bartolomä.

Foto: Bettina Osswald

Als langjähriger Protagonist und enger Vertrauter von Pina repräsentierte er die Compagnie, war Ansprechpartner und Aushängeschild zugleich. Jetzt hat Lutz Förster seine Schuldigkeit getan und kann gehen. Für das Tanztheater sowohl ein künstlerischer wie auch ein Gesichtsverlust. Wieder hat sich aus der Führungsriege ein Mensch verabschiedet, den eine eigene Geschichte mit Pina Bausch verband, wieder ist das Tanztheater ein Stück beliebiger geworden.

Im Mai wird das Ensemble des Bayrischen Staatsballetts die Bausch-Choreographie "Für die Kinder von gestern, heute und morgen" auf die Bühne bringen. Der Erfolg scheint mir sicher. Weltweit werden weitere Compagnien bei der Bausch Foundation auf der Matte stehen, um ebenfalls ein Stück der Wuppertaler Tanz-Ikone ins Repertoire zu nehmen.

Die Wuppertaler Compagnie verliert damit ihr Alleinstellungsmerkmal. Welche Auswirkungen das langfristig auf die bisher ungebrochene Nachfrage nach dem Wuppertaler Ensemble haben wird, bleibt abzuwarten. Und das in einer Zeit, wo die Realisierung des Internationalen Pina-Bausch-Zentrums noch eine sehr fragile Angelegenheit ist.

Auch das Ensemble selbst ist im Umbruch. Altersbedingt tritt die alte Garde ab — junge Tänzer kommen nach Wuppertal, die nie mit der Gründerin des Tanztheaters gearbeitet haben, keine klare Vorstellung von ihrem Werk in sich tragen. Auch durch diesen Prozess, der sich nicht verhindern lässt, wird die Compagnie austauschbar. Fehlen dann Menschen wie Dominique Mercy, Robert Sturm und zuletzt Lutz Förster, die etwas vom Geist Pinas vermitteln können, werden junge Tänzer Wuppertal als Durchgangsstation ansehen.

Noch gibt es Tänzer, die in der Lage sind, Pinas Werk authentisch weiterzugeben, und solange dies so ist, sollte man sie an verantwortlicher Stelle einsetzen.

Braucht Wuppertal hingegen wirklich eine Ballett-Intendantin? Eine neue Pina, sprich einen festen Choreographen, wird es nicht geben, das ist gut so. Aber es wäre an der Zeit, international bekannte Choreographen wie Anne Teresa de Keersmaker, Hans van Manen oder Marco Goecke einzuladen, mit der Compagnie Neuland zu betreten. Sonst zieht die Deutsche Oper am Rhein mit ihrem genialen Ballettdirektor und Choreographen Martin Schläpfer an Wuppertal vorbei.

Adolphe Binder ist angetreten, das Ensemble fit für die Zukunft zu machen, künstlerische Perspektiven aufzuzeigen, neue Formate zuzulassen. Auch damit hatte Lutz Förster begonnen. Unter seiner künstlerischen Leitung entstand "Underground", bei dem die Compagnie ihre eigene Kreativität unter Beweis stellen konnte. Binder kommt von außen, muss sich profilieren, als neues Gesicht des Tanztheaters etablieren. Das wäre mit Lutz Förster an ihrer Seite, als künstlerische Doppelspitze, leichter geworden.

Ihre Wahl hat man sich von Seiten der Stadt nicht leicht gemacht, wieder auf externe Berater gesetzt, auf die zurückgegriffen, die schon für die Wahl der Choreographen für die erste Uraufführung im vergangenen September verantwortlich waren. Bleibt zu hoffen, dass sie bei Adolphe Binder eine glücklichere Hand hatten.

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