Migrationsgeschichte „Wuppertal ist mir zur zweiten Heimat geworden“

Wuppertal · Abhängig von der weiteren Entwicklung bei den Corona-Einschränkungen plant das Kölner Museum Ludwig eine Ausstellung, die unter dem Titel „Vor Ort“ Fotogeschichten zur Migration erzählt und vom 27. März bis 11. Juli 2021 gezeigt werden soll. Eine bisher kaum bekannte Geschichte von Arbeitsmigranten steuert eine Wuppertalerin mit griechischen Wurzeln bei: Asimina Paradissa aus Ronsdorf.

 Asimina Paradissa: „Ich bereue nicht, nach Deutschland gekommen zu sein, denn Wuppertal ist mir zur zweiten Heimat geworden.

Asimina Paradissa: „Ich bereue nicht, nach Deutschland gekommen zu sein, denn Wuppertal ist mir zur zweiten Heimat geworden.

Foto: Klaus-Günther Conrads

Arbeitsmigration gibt es im Bergischen Land schon seit zwei Jahrhunderten. Zunächst lockte die Frühindustrialisierung durch die Textilindustrie Menschen aus dem Oberbergischen Land und dem ebenso bäuerlichen Waldecker Land ins prosperierende Wuppertal. Darunter Mädchen, die sich für Haushaltstätigkeiten bewarben, später mussten Fabriken, Häuser und Straßen gebaut werden. Straßennamen wie Waldeck- und Ziegelstraße erinnern an die Herkunft der Männer, deren Nachfahren sich als Handwerker und Spediteure selbstständig gemacht haben sesshaft geworden sind. Diese anfangs kleine Entwicklung ist in die heutige Migration aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika gemündet.

Vor über 54 Jahren hat Asimina Paradissa ihre nordgriechische Heimat (Vrasta, heute Vrastama, Chalkidikis) verlassen, nachdem sich die 20-Jährige eine Arbeitsbescheinigung des Schreibmaschinenherstellers Olympia besorgt hatte und ein Flugticket kaufen konnte: „Von Deutschland haben Griechen das Bild, dass man leicht Geld verdienen kann. Wir sind gekommen, um zu arbeiten.“ Mitgebracht hatte sie Teller, Tasse und Besteck. Asimina Paradissa arbeitete fünf Jahre in Wilhelmsh aven, wohnte mit fremden Frauen in einem Wohnheim und verdiente nur 4,30 D-Mark in der Stunde. Als Olympia wegen der starken japanischen Konkurrenz 3.000 Mitarbeiter entließ, erhielt auch die junge Griechin ihre Kündigung. Eine Freundin empfahl ihr Nordrhein-Westfalen als neue Station. Sie konnte unter 25 Angeboten wählen. Den relativ kurzen Stationen Mützenfabrik Küpper und Werkzeugfabrik Elora am Blaffertsberg folgte 1972 „Bomoro“ (Bocklenberg & Motte, später Bosch und Brose).

Die Firma in Ronsdorf zahlte immerhin sieben D-Mark Stundenlohn. 32 Jahre hielt Asimina dem Unternehmen die Treue und war dann fast drei Jahre arbeitslos. Sie erinnert sich an die Anfänge im Bergischen: Zum ersten Mal in ihrem Leben musste sie alles selbst organisieren, sich eine Wohnung (schwierig, dann zwei Zimmer) suchen und Möbel kaufen. „Ohne die deutsche Sprache konnte man nicht weiterkommen, der Betriebsrat half mir. Griechen waren unbeliebt.“

Asimina Paradissa liest gerne und schreibt seit ihrem elften Lebensjahr Geschichten und Gedichte. Ihre Kamera ist oft im Einsatz, der gegenwärtige schneereiche Winter bietet viele Motive. Zum Reisehobby gehören die regelmäßigen Besuche bei den Familienangehörigen in Griechenland. Es gibt zwar den Traum, die zweite Heimat wieder gegen die erste zu tauschen, doch „alte Bäume verpflanzt man nicht“, ist die 75-Jährige überzeugt.

Zur Illustration der Ausstellung „Vor Ort“ im Museum Ludwig hat Paradissa ein Lederportemonnaie mit kleinen Fotos beigesteuert. Museumskurator Manuel Gogos erzählt, dass Migranten als etwas Fremdes dargestellt würden, obwohl neben Italienern und später den Türken die Griechen unsere Städte mitgeprägt haben. Augenfällig in Wuppertal auf dem Wupperfeld in Oberbarmen mit der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde, Schulen und einem Sportverein.

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