Corona bei Gericht - die Auswirkungen „Können die Arbeit nicht einstellen“

Wuppertal · Die Corona-Pandemie stellt Amts- und Landgericht vor ganz besondere Probleme. Wie gehen die Justizbehörden mit der Situation um?

  Das Wuppertaler Gericht.

Das Wuppertaler Gericht.

Foto: Mikko Schümmelfeder

An einem Weihnachtsabend 2015 nahm Hans-Joachim P. ein Kissen und erstickte damit seine Frau. Am 12. März hätte der Prozess gegen den 65-Jährigen am Landgericht beginnen sollen. Der Angeklagte wartete vermutlich schon im Hausgefängnis darauf, vorgeführt zu werden, als das Gerichtsgebäude wegen einer Bombendrohung für Stunden geräumt werden musste. Hatte man den Prozessauftakt anfangs noch in diese Woche verschoben, so sind mittlerweile alle Termine ausgesetzt. Noch ist nicht klar, wann sich Hans-Joachim P. wegen Mordes wird verantworten müssen – die Corona-Krise stellt die Justiz vor ungeahnte Herausforderungen.

Aufschiebbare Prozesse werden bis auf weiteres verschoben, Termine für Zivilprozesse aufgehoben. Bereits begonnene Verhandlungen werden teilweise weitergeführt - so wie ein Mammutprozess wegen Drogenhandels am Landgericht, der dort bereits seit Monaten läuft. Sowas jetzt abzubrechen würde bedeuten, dass mehr als 40 Verhandlungstage wiederholt werden müssten. Die Beweisaufnahme müsste von vorn beginnen und Zeugen neu geladen werden - zuweilen aus auch dem Ausland.

Für Amtsgericht und Landgericht gelten mittlerweile umfangreiche Sonderregelungen. Eines von vielen Problemen der Justiz ist die Maßgabe, die Öffentlichkeit zu Prozessen auch weiterhin zulassen zu müssen. Der Rechtsstaat sieht den Ausschluss von Besuchern nur in Ausnahmefällen vor – und auch das muss von einer Kammer im Einzelfall und nach Beratung beschlossen werden. Hinzu kommt, dass sich in Gerichtssälen die Abstandsregelung nur schwer umsetzen lässt. Richter, Schöffen und Gerichtsschreiber sitzen üblicherweise nah beieinander mit wenig Spielraum in alle Richtungen. „Wir versuchen das jetzt zu entzerren und alle Möglichkeiten auszuschöpfen“, ist dazu von Gerichtssprecher Arnim Kolat zu hören.

 Bei Landgerichts-Sprecher Arnim Kolat (r.) laufen derzeit die Drähte heiß.

Bei Landgerichts-Sprecher Arnim Kolat (r.) laufen derzeit die Drähte heiß.

Foto: Sabine Maguire

Auch für Schöffen gilt: Wird ein Prozess durchgeführt, müssen sie kommen. Auch Zeugen dürfen ihre Anhörung nicht verweigern und sind zur Aussage verpflichtet. „Das alles sind keine freiwillige Aufgaben“, stellt Kolat klar. Ebenso wenig dürfen sich Pflichtverteidiger der Aufgabe entziehen, ihre Mandanten angemessen zu verteidigen. Dazu gehören auch Besuche in der Justizvollzugsanstalt, um dort die Sachverhalte zu besprechen. Damit steigt jedoch auch in den Anstalten die Gefahr, dass das Virus eingeschleppt wird. Ein weiteres Problem für die Justiz: Gefangene dürfen nicht mehr in Sammeltransporten zum Gericht gebracht werden

„Selbstverständlich nehmen wir die Fürsorgepflicht für alle Prozessbeteiligten sehr ernst und wir tun alles dafür, um die Ansteckungsgefahr möglichst auszuschließen“ betont Arnim Kolat. Gänzlich einstellen könne man die Arbeit jedoch nicht. Für vieles gebe es Fristen – beispielsweise für Beschuldigte in Untersuchungshaft, deren Prozess beginnt üblicherweise innerhalb von sechs Monaten. „Alles andere wäre unverhältnismäßig“ so der Gerichtssprecher. Beim Justizministerium arbeite man bereits an einer Lösung, um Fristen verlängern zu können. Haftsachen würden selbstverständlich weiter bearbeitet und vieles könne auch auf dem Schriftweg geklärt werden. Das gelte unter anderem auch für am Amtsgerichte verhandelte Ordnungswidrigkeitsverfahren, die etwa wegen Geschwindigkeitsübertretungen eingeleitet werden müssten.

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