Konzert in der Erlöserkirche Langer, herzlicher Applaus für den Jungen Chor NRW

Wuppertal · Alle Jahre wieder werden die Totenlieder gesungen, wenn die Blätter fallen. So alt ist er nicht, der Junge Chor NRW, der unter Hermann Godland und Christiane Zywietz-Godland singt. Erst kurz vor der Corona-Zeit hat er sich gegründet. Am Sonntag (30. Oktober 2022) trat er in der Wuppertaler Erlöserkirche auf.

 Blick in die Erlöserkirche.

Blick in die Erlöserkirche.

Foto: von Bargen

Dennoch musizieren die circa 75 jungen Menschen schon lange zusammen, sind sie doch aus dem ehemaligen Landesjugendchor hervorgegangen und können sich zahlreiche Uraufführungen, Konzertreisen und Aufführungen großer chorsinfonischer Werke auf die Fahnen schreiben. Vielleicht ist der Chor gerade darum so stark aus der Coronakrise herausgekommen.

Für das Konzert in der proppenvollen Erlöserkirche haben sie zwei große Klassiker kombiniert: Mozarts Totenmesse und zwei Teile aus der doppelchörigen Messe von Frank Martin, bei anspruchsvollen großen A-cappella-Chören gerne auf der Agenda. Warum diese Kombination, und warum so ineinander verschränkt? Jede Aufführung des Mozart-Requiems steht vor dem Problem, dass es nicht fertig wurde, weil Mozart über dem „Lacrimosa“ verstarb, fest davon überzeugt, das Requiem für sich selbst schreiben zu müssen.

Wie also geht man mit diesem Fragment-Charakter um? Die meisten Aufführungen merken es im Programmheft an und entscheiden sich dann für eine der vielen Ergänzungen, fast immer eine Bearbeitung der Fassung Franz Xaver Süßmayrs, der als Schüler Mozarts zwar am nächsten dran war, aber eben auch nicht besonders gut komponieren konnte. An der Süßmayr-Fassung kommen auch die Godlands nicht vorbei, arbeitet sie doch höchst wahrscheinlich mit verlorenen Skizzen und musikalischen Gedanken Mozarts selbst.

Den Bruch im Fragment haben sie damit gekittet, aber sie haben die Bruchstelle hörbar gemacht: Das „Lacrimosa“ haben sie zweimal gesungen, einmal nur bis zum „homo reus“, dem angeklagten Sünder vor dem Jüngsten Gericht, der Textstelle, bei der angeblich dem weinenden Mozart der Griffel aus der Hand fiel und er nicht weiter schreiben konnte. Der erschütternden Wirkung einer solch krachenden Stille kann sich kaum ein Publikum entziehen.

Danach markierte das Agnus Dei der Martin-Messe den Bruch mit seinen intensiven Bitten um Erbarmen und Frieden in der herben Tonalität des zwanzigsten Jahrhunderts. Erst dann dirigierte Christiane Zywietz-Godland schwungvoll in jugendlicher Frische über die kompositorischen Schwächen des zweiten Requiem-Teils hinweg. Dieser Schwung gehörte auch im ersten Teil unter der Leitung Hermann Godlands zur spezifischen Charakteristik dieser Aufführung, neben der ungeheuren Klangfülle des Chores über alle Stimmen hinweg, die das schlanke Philharmonische Orchester Bergisches Land (Konzertmeisterin: Kerstin von Bargen) manchmal fast zu sehr in die Rolle des Begleiters verwies.

Für die Qualität des Chores ist auch bezeichnend, dass die Solopartien aus dem Chor heraus besetzt werden konnten. Insbesondere Anna Kortmann mit silberhellem Sopran und Felix Schäfer (Bass) zu den Posaunen des Jüngsten Gerichts konnten Akzente setzen; besonders beeindruckte aber das fein aufeinander abgestimmte Zusammenwirken der unterschiedlich besetzten vierstimmigen Ensembles. Für den langen, herzlichen Applaus bedankten sich Chor und Orchester mit Mozarts „Ave verum“.

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