Mit 40 Jugendlichen aus neun verschiedenen Nationen ist Dorothee van den Borre nach Berlin gefahren, um ihnen den Reichstag und das Büro des Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD) zu zeigen. „Dort haben sie viel über die Grundlagen unserer Demokratie erfahren und begriffen, dass sie durchaus Einfluss auf die Politik nehmen können – am besten direkt vor Ort“, sagt die Leiterin des ökumenischen Stadtteiltreffs „Krawatte“ der evangelischen Gemeinde Heckinghausen und des Sozialdienstes katholischer Frauen.
Auf der Rückfahrt ist dann die Idee entstanden, die Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Wuppertaler Oberbürgermeisters kennenzulernen und ihnen am 15. August all jene Fragen zu stellen, die die Jugendlichen interessieren.
„Der Wuppertaler Osten ist seit Jahren durch die höchste Anzahl von Menschen mit Migrationshintergrund in Wuppertal geprägt“, erklärt Dorothee van den Borre. „Daher beschäftigt die Jugendlichen natürlich, wie die Politik ein friedliches Zusammenleben und Chancengleichheit fördern kann.“ Aber auch die Frage, wer eigentlich wann die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt, wie der Stadtteil grüner und für junge Menschen attraktiver werden kann, bewegt die Jugendlichen.
Vielfalt stärken, Dialog fördern
„Wir wollen ihnen vermitteln, dass Kommunalpolitik etwas mit ihrem Leben zu tun hat“, sagt Dorothee van den Borre. „Ihre Stimme macht einen Unterschied und auch wenn sie nicht wählen können, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, können sie doch über den Integrationsausschuss in ihrer Kommune Einfluss nehmen.“
Wahlen als Grundlage der Demokratie: Das ist nur ein Baustein des Projekts „Demokratie leben lernen“, das Dorothee van den Borre mit der evangelischen Kirchengemeinde in Heckinghausen und dem CVJM Westbund schon vor den Bundestagswahlen gestartet hat. Sie möchte die rund 40 Jugendlichen, die an dem Projekt teilnehmen und größtenteils aus dem multikulturellen und – religiösen Stadtteiltreff der „Krawatte“ kommen, zu „Brückenbauern“ für Vielfalt und Demokratie machen.
Den „Geist der Krawatte“ in den Stadtteil tragen
Die Bildungs- und Freizeitangebote der Krawatte, die in einer ehemaligen Krawattenfabrik stattfinden, nutzen wöchentlich etwa 700 Menschen. „Was uns hier gelingt – ein kreatives und friedliches Miteinander vieler Nationen und Kulturen – möchten wir raustragen in den Stadtteil", betont die Projektleiterin. Immer wieder berichteten Lehrer und auch die Jugendlichen selbst von zunehmenden Radikalisierungstendenzen und Polarisierungen etwa durch den Nahostkonflikt.
„Wir wollen junge Menschen schulen, damit sie sich in ihrem Alltag kompetent und selbstbewusst für Dialog und Vielfalt einsetzen können.“ Neben Jugendworkshops mit Theater, Fotowettbewerb und Argumentationstraining gegen Extremismus soll es im Rahmen des Demokratieprojekts künftig auch interreligiöse Fortbildungen für Fachkräfte aus Schule, Jugendarbeit und Gemeinden geben sowie Initiativen in den Grundschulen.
„Demokratiekoffer“ für die Grundschulen
Dazu gehört ein „Demokratiekoffer“, der Kreativmaterialien und Geschichten enthält, aber auch Marionetten. Sie sollen Kindern schon in der Grundschule anschaulich machen, wie sie mitreden und Konflikte aushandeln können.
Auch dafür möchte Dorothee van den Borre die Jugendlichen, die am Demokratieprojekt teilnehmen, als „Brückenbauer“ gewinnen. Viele engagieren sich schon in der Krawatte, indem sie Nachhilfe geben oder an einem Zirkusprojekt teilnehmen. „Sie sind ein Vorbild für die Kinder hier und können das ganz sicher auch in den Schulen sein, indem sie vorleben, was Demokratie im Alltag bedeutet.“