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Sport in Wuppertal: „Vielen geht die Puste aus“

Sportamtsleiterin Alexandra Szlagowski : Sport in Wuppertal: „Vielen geht die Puste aus“

Alexandra Szlagowski ist seit gut einem Jahr Leiterin des Wuppertaler Sportamtes. Im Rundschau-Interview blickt sie auf die aktuelle Lage, aber auch voraus.

Rundschau: Die Corona-Pandemie dauert mehr als ein Jahr – wie wirkt sie sich auf den Sport in Wuppertal aus?

Szlagowski: „Nach anfänglichen Lockerungen mit Freibadöffnungen und der Aufnahme des Sportbetriebs unter Auflagen im vergangenen Sommer mussten wir im Herbst wieder hart auf die Bremse treten. Das ist für mein Team und mich frustrierend, aber für die Vereine ist es eine Katastrophe. Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels. Aber ich weiß auch, dass die Vereine am Limit sind. Vielen geht jetzt beim Endspurt die Puste aus, und jeder Tag zählt. Mit Volkmar Schwarz vom Stadtsportbund bin ich im ständigen, engen Dialog. Bei den Vereinen können Gastronomiepächter die Miete nicht zahlen, Kurzarbeit muss angemeldet werden, Leistungssportler können nicht adäquat trainieren, Mitglieder melden sich ab und kaum neue an. Da werden ganze Jahrgänge im Jugendbereich fehlen.“

Rundschau: Inwieweit konnte die Stadt helfen?

Szlagowski: „Wie im Vorjahr wurden bereits im März 50 Prozent der jährlichen Unterhaltungskostenzuschüsse an die Vereine mit eigenen Sportanlagen ausgezahlt. Damit erhalten die Vereine zwar nicht mehr Geld, erhalten die Zahlungen aber unbürokratisch ohne Antragsstellung früher. Wir möchten mit der vorzeitigen Auszahlung der Zuschüsse einen Beitrag leisten, um die Liquidität der Vereine zu sichern. Außerdem haben die von Fördervereinen privat betriebenen Bäder Eckbusch, Vohwinkel und Ronsdorf die Zahlungen aus dem so genannten ,Feuerwehrtopf’ bereits im März erhalten. Aktuell prüfen wir, ob wir die privat betriebenen Freibäder Vohwinkel und Eckbusch finanziell unterstützen können, damit sie im Sommer trotz Beschränkungen und Einnahmeverlusten für die Öffentlichkeit öffnen. Weil das städtische Freibad Mählersbeck wegen der anstehenden Sanierung geschlossen ist, haben wir natürlich ein Interesse daran, dass die anderen Bäder für die Wuppertaler öffnen.

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Rundschau: Wie stehen Sie zu dem oft zu hörenden Vorwurf, in Wuppertal habe die Kultur auf Verwaltungs- und Parteiebene deutlich mehr Unterstützung als der Sport? Stichwort Pina-Bausch-Zentrum.

Szlagowski: „Es geht nicht um Kultur ODER Sport, sondern in Wuppertal muss es beides geben! Dadurch, dass in der Pandemie Profisport erlaubt ist – Fußball- und Handball-Bundesliga, Formel 1 usw. – wird bei manchem vielleicht der Eindruck erweckt, dass Sport ja durchaus stattfindet. Dass aber der Amateur- und Freizeitsport brachliegt, gerät dadurch tatsächlich in den Hintergrund. Dabei sind genau hier Sport und Bewegung so wichtig für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, für die Gesundheit aller Menschen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und zwar nicht anstelle von, sondern genauso wie auch die kulturellen Angebote.“

Rundschau: Hat Wuppertal genügend Sportanlagen – Hallen, Freiluftanlagen und Schwimmbäder?

Szlagowski: „Nö, denn davon können wir niemals genug haben! Aber hinter der Frage steckt ja mehr: Was nutzt uns beispielsweise bei der Anfängerschwimmausbildung mehr Wasserfläche, wenn wir keine Lehrerinnen und Lehrer haben, die Schwimmunterricht machen können? Auch bei der Belegung der neuen Sporthalle Nevigeser Straße haben wir wieder mehr Anträge auf Nutzungszeiten als wir vergeben können. Aber das hätten wir auch, wenn wir noch weitere zehn Hallen bauen. In der Vergangenheit wurden Entscheidungen getroffen, Sportplätze aufzugeben, weil sie zu wenig genutzt wurden und als Bauland oder Gewerbefläche entwickelt werden sollen, zum Beispiel die Clausewitzstraße oder Löhrerlen. Jetzt gilt es, die vorhandenen Sportflächen zu erhalten und zu modernisieren. Die Sportanlage Grundstraße beispielsweise ist komplett saniert worden. Außerdem folgt die Sportentwicklung immer auch der Schulentwicklung. Wenn also eine siebte Gesamtschule in Heckinghausen gebaut wird, wird dort zwangsläufig auch eine Sporthalle entstehen, aus meiner Sicht übrigens unbedingt mit einer Tribüne.“

Rundschau: Ist Wuppertal eine Stadt für Profisport?

Szlagowski: „Wenn nicht Wuppertal als Oberzentrum im Bergischen Land und Großstadt mit über 360.000 Einwohnern, wer dann? Die Potenziale sind da: Talente, engagierte Vereine, finanzstarke Unternehmen. Dennoch sind die glorreichen Zeiten von Wuppertal als Fußball-, Volleyball- oder Schwimm-Hochburg verblasst. Dafür kommen andere Sportarten, die – noch – nicht so publikumsstark sind, nach vorn. Denen fehlt oft der finanzielle Rückhalt. Hier hängt alles mit allem zusammen. Wenn einer sich an die Spitze stellt und mutig nach vorn geht, folgen andere. Es kommen oder bleiben gute Sportlerinnen und Sportler, engagieren sich andere Sponsoren und so weiter.“

Rundschau: Die BHC-Handballer weichen aus finanziellen Gründen mit ihren Topspielen in den Düsseldorfer ISS Dome aus. Die Unterstützung für das Hallenprojekt ist, freundlich gesagt, eher mäßig. Will die Stadt überhaupt eine Mehrzweckarena?

Szlagowski: „Ja, wenn es sich irgendwie realisieren lässt! Aber wer mitten in der Pandemie eine Veranstaltungshalle baut, der muss schon viel Mut haben. Das ist keine Entscheidung allein von der Verwaltung. Das muss von der Politik und den Menschen in der Stadt mitgetragen werden und das unternehmerische Risiko muss beherrschbar sein. Ich bin überzeugt, dass eine Multifunktionsarena mit dem BHC als Ankermieter für alle Menschen in der Stadt ein Riesengewinn ist, und zwar nicht nur in sportlicher Hinsicht. Hier könnte man nämlich Sport und Kultur und auch Wirtschaft ideal verbinden. Eine Arena mit 5.000 bis 6.000 Zuschauerplätzen würde das Portfolio der Stadthalle ergänzen und eine Lücke im Bergischen und im Rheinland schließen. Ein städtebaulicher Hingucker in der Innenstadt mit Konzerten, Comedy, Sportevents, Kongressen, Tagungen und, und, und – das wäre innerhalb von drei Jahren zu realisieren und damit ein greifbares Ziel für alle Bürgerinnen und Bürger in Wuppertal und im Umland.“

Rundschau: Die WSV-Fußballer sind viertklassig. Was passiert mit dem Stadion, wenn der Verein die Liga nicht mehr halten kann?

Szlagowski: „Also, ich persönlich gucke ja beim WSV mittelfristig eher in Richtung Aufstieg als Abstieg. Aber in der Tat haben wir keine Vereine, die Schlange stehen und das Stadion nutzen wollen. Nachfragen für einzelne Events, auch nicht nur sportliche, gibt es regelmäßig. Aber das Stadion ist und bleibt die Heimstätte des WSV. Zur Not auch in der Oberliga.“

Rundschau: Angenommen, eine Fee schenkt Ihnen mit Blick auf den Sport in Wuppertal drei Wünsche – wie sähen die Antworten aus?

Szlagowski: „1. Alle Sportanlagen und Bäder stehen ganz bald den Vereinen und Sportlerinnen und Sportlern wieder mit beherrschbaren Einschränkungen zur Verfügung. 2. Statt der unglaublich aufwändigen Förderung von einzelnen Projekten durch Land und Bund gibt es eine strukturelle Förderung, ähnlich der Sportpauschale. 3. Wir bekommen zum 100-jährigen Jubiläum des Stadions am Zoo den Zuschlag bei der Fußball-Europameisterschaft 2024, ,Team Base Camp’ für eine ausländische Nationalmannschaft zu sein.“