Verrückt: Gitarren aus Zigarrenkisten

Wuppertal · CBG ist nicht die Abkürzung für ein neues Gymnasium im Tal, sondern steht für Cigar Box Guitar — Zigarrenkistengitarre. Die zu bauen ist ein skurriles Hobby — und für den Wuppertaler Michael Walter zugleich Therapie gegen die Multiple Sklerose.

 Michael Walter gehört zum kleinen Kreis der Zigarrenkistengitarrenbauer. Das originelle Hobby kommt ursprünglich aus den USA.

Michael Walter gehört zum kleinen Kreis der Zigarrenkistengitarrenbauer. Das originelle Hobby kommt ursprünglich aus den USA.

Foto: Bettina Osswald

Vor vier Jahren stieß er im Internet auf das Thema — und es hat ihn gleich gepackt. Zehn CBGs baut er jetzt Jahr für Jahr, verschenkt und verkauft sie. Michael Walter (Jahrgang 1958) studierte in Bochum und Wuppertal Theologie und arbeitete als Vikar in Neuss und als Hilfsprediger in Kornelimünster bei Aachen, bevor er 1987 eine Pfarrstelle in der Elberfelder Südstadt antrat. Als er 39 wurde, verkündete ihm der Arzt die MS-Diagnose. Trotz der multiplen Sklerose arbeitete er noch acht Jahre, bis die Kirche ihn 2005 in den Ruhestand verabschiedete. In seinem Fall eher in eine Art Unruhestand, den des Zigarrenkistengitarrenbauers.

Michael Walter: "Es existieren keine Regeln. Die aus den USA stammende Grundidee lautet: Ich baue mir aus dem, was ich auf meiner Farm finde, meine Gitarre." Also etwa aus einer Zigarrenkiste, einem Besenstil und einem Draht. Es darf auch eine Weinkiste oder eine Blechdose sein. Nur Platz braucht man, um den "Hals" durchzuziehen. Fantasie ist gefragt.

 Einst Behältnis für edle Zigarren aus der Karibik, jetzt E-Gitarren-Körper ...

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Foto: Bettina Osswald

Es gibt sogar ein internationales CBG-Manifest, nachzulesen auf www.cigarboxguitar.com, eine spezielle Facebook-Gruppe mit etwa 200 Mitgliedern in Deutschland — und im Herbst das erste nationale Festival im hessischen Ebersbach. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein klassisches Selfmade-Instrument handelt. Michael Walter, dem der Arzt seine anspruchsvolle Basteltätigkeit quasi als Ergotherapie anrechnet, geht für gewöhnlich in einen Baumarkt.

Dort kauft er sich Dachlatten aus Leimholz (vier mal zweieinhalb Zentimeter — in den USA verwendet man meist Roteiche) und gewöhnliche Schrauben als Steg und Brücke, geht dann in den Musikalienhandel, wo es Saiten und Stimmmechaniken gibt, und abschließend in einen Ein-Euro-Laden, der Abfluss-Siebe verkauft, mit denen der Gitarrenbauer die Schalllöcher abdeckt. Fertig ist die Kiste — und sieht wirklich professionell aus. Walter kommt zugute, dass sein Vater Schlosser war und dessen private Werkbank im Keller stand.

Acht bis 15 Stunden Arbeit stecken in einer Zigarrenkistengitarre. Und dann kommt der spannende Augenblick: Wenn das Gerät den Tontest nicht besteht, werden der Apparat wieder auseinander- und die einzelnen Komponenten neu verbaut. Kommt auch vor. Schließlich ist jedes Instrument eine individuelle Anfertigung.

Zwar hat Michael Walter schon als Schüler gern gesungen und im Vikariat die Chorarbeit kennengelernt, doch Musikunterricht hatte er kaum. Zu Hause stand auch kein Instrument, sieht man von seiner früh erworbenen "normalen" Gitarre ab. Aber einer seiner Schulfreunde wurde Musiklehrer, und Walter selbst hat in der Elberfelder Südstadtgemeinde mit einer Band gearbeitet. Im Herbst 2015 hatte er einen öffentlichen Auftritt auf einer Fotoausstellung. Gesang und Gitarre. Zigarrenkistengitarre.

Er wünscht sich einen weiteren Musikanten, mit dem er in Zukunft zusammen spielen kann — Geschlecht und Alter spielen keine Rolle. Das Instrument wird gestellt ...

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