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Schlechte Erreichbarkeit der Wuppertaler Ausländerbehörde

Probleme bei Ausländerbehörde : Lemmer: „Das darf natürlich nicht so bleiben“

In jüngster Zeit häufen sich Beschwerden von Menschen, die Wuppertaler Ausländerbehörde sei weder telefonisch noch per Mail verlässlich erreichbar. Warum das so ist, darüber sprach Rundschau-Redakteur Stefan Seitz mit Jürgen Lemmer, der 1981 als Sozialarbeiter für Geflüchtete bei der Stadtverwaltung anfing und seit 2002 Leiter des Ressorts für Zuwanderung und Integration ist.

Rundschau: Wie viele Mitarbeiter hat die Ausländerbehörde und wie viele Menschen betreuen sie?

Lemmer: „Die Ausländerbehörde hat 80 Beschäftigte, die sich um 75.000 in Wuppertal lebende Pass-Ausländer kümmern. Noch vor zehn Jahren waren das etwa 48.000 Menschen, viele davon mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die nur alle zehn Jahre zu uns kommen mussten. Durch das heutige ,System Aufenthaltsgesetz‘ und viele neue Zugewanderte, die sich zwischen alle drei Monate und alle drei Jahre regelmäßig bei uns melden müssen, ist der Arbeitsaufwand beinahe um das Doppelte angewachsen. Wir sind im Sektor Zuwanderung, der ein sehr komplexes Feld ist, für alles zuständig. Zum Vergleich: In der Vergangenheit war ein so genannter Aufenthaltstitel nach ein paar Wochen zu haben, heute kann das bis zu sechs Monaten dauern.“

Rundschau: Woran liegt das konkret?

Lemmer: „Die Menschen müssen aus tausenderlei Gründen sehr oft und sehr viel häufiger als früher bei uns vorsprechen. Das frisst Zeit und bindet Arbeitskraft im Ressort. Jede weitere Nachfrage, die ja verständlicherweise kommt, wenn etwas lang beziehungsweise zu lang dauert, bedeutet weiteren Zeitverlust. Mittlerweile haben wir ein Team zusammengestellt, das sich nur um Telefonrückrufe kümmert.“

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Rundschau: Wie steht es um die Personalsituation in Ihrem Haus?

Lemmer: „Wir haben viele erfahrene Kräfte verloren. Einerseits aus Altersgründen, andererseits durch Abwanderungen in andere Abteilungen, denn der Arbeitsdruck im Zuwanderungsressort ist natürlich hoch. Und junge Leute sind allzu oft schnell weg, da sich anderswo bessere Beförderungschancen bieten. Das sind Tatsachen, die ich niemandem vorwerfen kann.

Rundschau: Ist Besserung in Sicht?

Lemmer: „Der Nachschub klappt nicht so richtig. Auch weil wir wegen der Haushaltsrestriktionen lange Zeit nicht ausbilden durften. Arbeitslose Verwaltungskräfte gibt es keine auf dem Markt. Unsere hausinterne Qualifikation erfordert zwei bis drei Jahre. So lange dauert es, bis jemand sattelfest in Sachen der komplizierten ausländerrechtlichen, juristischen und verwaltungstechnischen Materie ist. Es geht hier um ein quantitatives und zugleich qualitatives Problem. Im neuen Haushaltsentwurf stehen elf neue Stellen für uns. Das ist leider nicht so viel. Um unsere Servicequalität zu verbessern beziehungsweise überhaupt wieder herzustellen, müssten wir eigentlich ein 100-köpfiges Team im Haus haben.“

Rundschau: Haben Sie Verständnis für die Kritik an der Ausländerbehörde?

Lemmer: „Ja. Wir sind die, da gibt es gar nichts wegzudiskutieren, auf die man oft sehr lange warten muss. Wenn es um einen Aufenthaltsstatus geht, ist es für Menschen schwierig, Geduld aufzubringen, denn sehr vieles hängt an diesem Status. Die Menschen, mit denen wir zu tun haben, haben den Staat in ihren Heimatländern nicht als verlässlich erlebt. Deswegen ist es unser festes Ziel, Aufenthaltstitel schneller zu gewähren. Darunter allerdings leidet automatisch der Telefonservice. Denn im Vergleich etwa zum Straßenverkehrsamt oder Einwohnermeldeamt, wo mit einem Termin der Vorgang fast immer gleich abgeschlossen ist, fängt bei uns mit dem ersten Kontakt ja alles an. Die Materie und die menschlichen Geschichten sind stets hochkomplex, es gibt zahlreiche verschiedene Unterlagen und automatisch natürlich immer wieder Nachfragen. Wir hoffen, dass die jetzt startende Umstellung auf elektronische Akten hier spürbare Abhilfe schafft.“

Rundschau: Wie ist die Stimmung in Ihrer Belegschaft?

Lemmer: „Menschen, die in unserem Ressort arbeiten, sind engagierte Menschen. Es gibt viele von ihnen, die sich eigentlich gar nicht trauen, Urlaub zu machen, weil ihnen die Tatsache über die Bettdecke läuft, dass wegen des Personalmangels nach ihrer Rückkehr an den Schreibtisch die Zahl der Fälle, die mit Ängsten und persönlichen Schicksalen der Kunden verbunden sind, noch höher sein wird, als sie vorher war.

Rundschau: Wie sieht Ihr Ausblick in die nächste Zukunft aus?

Lemmer: „Erstens hoffe ich darauf, dass Corona bald endet. Wir haben im ,Haus der Integration‘ einen hochmodernen Wartebereich, den wir aber nicht ausnutzen können. Darum gibt es diese unwürdigen Schlangen vor der Tür. Zweitens: Wie bekommen wir neue Mitarbeiter, wie qualifizieren wir sie, damit wir wieder in angemessener Zeit, also innerhalb weniger Tage, telefonisch oder per Mail reagieren können? Zurzeit erreichen uns einfach mehr Mails, als wir abarbeiten können. Das darf natürlich nicht so bleiben, denn die Gesamtsituation empfinden mein ganzes Team, unsere Kunden und ich selbst durchaus als einen katastrophalen Zustand. Mit mehr Personal und dessen Qualifikation wollen wir unbedingt schneller werden! Es muss aufhören, dass man draußen sagt: ,Ich kann die Ausländerbehörde nicht erreichen.‘ Man muss aber ehrlich sein und klar sagen, dass der gesamte Problemkomplex nicht innerhalb der kommenden Woche gelöst sein wird.“