Hospiz macht Schule Ist der Himmel voller Döner?

Wuppertal · Versteckt hinter ihren Namensschildern, den Kopf vergraben in der Kapuze ihrer Pullover, verfolgen die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Marienstraße den Film mit Kika-Reporter „Checker Tobi“ der um seinen verstorbenen Hamster Haselnuss trauert. Behutsam legt Tobi sein Haustier in einen bunten Sarg und beerdigt ihn unter einem Baum. Er fragt sich: Warum müssen wir sterben? Und was passiert nach dem Tod?

 Sechs der neun Ehrenamtlichen des Hospizdiensts Lebenszeiten in der Grundschule Marienstraße: Lilo Herzog, Katja Schuvan, Gerlinde Geisler, Heidi Enkler (hinten v.l.) , Helga Ostrouchow, Astrid Steinbach (vorne v.l.).

Sechs der neun Ehrenamtlichen des Hospizdiensts Lebenszeiten in der Grundschule Marienstraße: Lilo Herzog, Katja Schuvan, Gerlinde Geisler, Heidi Enkler (hinten v.l.) , Helga Ostrouchow, Astrid Steinbach (vorne v.l.).

Foto: Wuppertaler Rundschau/flo

Die Schülerinnen und Schüler der 3. und 4. Klassen merken sich jedes Detail des Films. Im Anschluss wissen sie noch ganz genau, welche Temperatur der Ofen im Krematorium hatte, in dem der Tote verbrannt wurde.

Zwei Schülerinnen kullern während des Films Tränen über die Wangen. Astrid Steinbach bietet ein Plüschtier an, dann ihren Arm. Die Schülerinnen kuscheln sich an sie, obwohl sie die Ehrenamtliche erst seit zwei Tagen kennen. „Das hat mich tief berührt“, berichtet die Sterbebegleiterin im Anschluss.

Eine Woche lang dreht sich in der Marienstraße alles um Sterben, Tod und Trauer. Neun Ehrenamtliche des Hospizdienstes Lebenszeiten führen die Grundschulkinder mit Spielen, Gesprächen und, wenn nötig, einer Umarmung, an Themen wie Krankheit, Jenseits und Trost heran.

In der Regel begleiten die neun Frauen des Hospizdienstes sterbende Erwachsene durch ihre letzten Tage und betreuen ihre trauernden Angehörigen. Mit Kindern zu arbeiten, ist für viele eine neue Erfahrung.

Obwohl sie erst acht, neun oder zehn Jahre alle sind, können die Grundschüler fast alle von Erfahrungen mit dem Tod berichten. Ein geliebtes Haustier, die Großeltern, in wenigen Fällen ein Elternteil – viele von ihnen haben schon mal jemanden verloren. „Die Schwierigkeit ist, dass wir nie wissen, was die Kinder aus den Familien mitbringen“, erklärt die Hospizdienst-Mitarbeiterin Ulrike Seiffert-Petersheim.

Aber – und da sind sich alle neun Hospizhelferinnen einig – Kinder dürfen nicht abgeschirmt werden. Auf Fragen müssen Antworten folgen. Wenn ein Kind eine Beerdigung besuchen möchte, braucht es die Möglichkeit, Abschied zu nehmen. „Weichen die Eltern aus, entwickeln die Kinder Ängste“, weiß Sterbebegleiterin Gerlinde Geisler.

Für die Grundschule Marienstraße ist es die dritte Projektwoche mit dem Hospizdienst Lebenszeiten. Die Ergebnisse der einzelnen Tage werden den Eltern am letzten Tag bei einem Abschlussfest präsentiert. Regulärer Unterricht findet in der Woche nicht statt.

Sterben, Tod und Trauer werden losgelöst von religiösen Gesinnungen behandelt. Bei der Vorstellung vom Jenseits wird trotzdem deutlich, in welchem Glauben die Kinder erzogen wurden. „Ein Schüler wird als wilder Tiger wiedergeboren, auf den anderen warten Engel im Himmel. Ein dritter stellt sich das Jenseits als einen Himmel voller Döner vor“, berichten die Sterbebegleiterinnen von den Erfahrungen der letzten Tage.

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