Corona-Pandemie Helge Lindh (SPD): „Alles begründen und erklären“

Wuppertal · Wie alle Parlamentarier ist auch der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh zurzeit stark gefragt, wenn es darum geht, Menschen zum Thema Corona Rede und Antwort zu stehen. Rundschau-Redakteur Stefan Seitz unterhielt sich mit Lindh.

 Helge Lindh.

Helge Lindh.

Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde

Rundschau: Vor allem angesichts der Lockdown-Verlängerung und der damit verbundenen Belastungen: Wer wendet sich an Sie?

Lindh: „Das geht durch die gesamte Gesellschaft. In Berlin sind es vor allem Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften, Handelsorganisationen, die den Kontakt zu uns Abgeordneten suchen. Vor Ort in Wuppertal reicht die Bandbreite der Menschen, die mich anrufen oder anschreiben, von Friseuren und Kinobetreibern über Kultur-Freiberufler bis zu Einzelhändlern, Event-Veranstaltern und vielen mehr. Es gibt auch sehr oft Fragen in Sachen Corona-Testungen oder Corona-Impfungen. Ich beobachte eine starke und ganz neue Betroffenheit quer durch die ganze Bevölkerung.“

Rundschau: Wo liegen die Hauptprobleme der Menschen?

Lindh: „Viele Leute irritiert die Komplexität der Beschlüsse und Maßnahmen zu Recht. Also muss man sich kümmern und sie erklären und begründen. Dabei ist mir wichtig: Die beschlossenen Maßnahmen sind nicht alternativlos, sondern politische Entscheidungen. Es gibt also Möglichkeiten der Wahl. Die sind begründbar und müssen gegebenenfalls auch korrigiert werden. Es darf uns als Politikern nicht nur um den Vollzug der Empfehlungen von Virologen gehen.“

Rundschau: Was hören Sie aus dem ganz normalen Corona-Alltag?

Lindh: „Da geht es sehr oft um die finanziellen Hilfsprogramme. Die Frage ist: Wie kommt das, was ,oben’ beschlossen wird, ,unten’ an und funktioniert es überhaupt? Wir können riesige Milliardensummen ausgeben, wenn sie nicht wirksam sind, muss man sich darum kümmern, dass das nachgebessert wird. Ich merke in meinen Gesprächen, dass manches die Hilfsprogramme betreffend unter Hochdruck falsch gemacht oder falsch kommuniziert wurde. Auch hier geht es darum, zuzuhören, zu erklären und zu begründen. ,Durchregieren von oben’ ist nicht. Als Abgeordneter hat man da sozusagen eine Übersetzerfunktion zwischen Ministerien und Betroffenen. Und es muss immer schnell gehen. Für das langsame Mahlen der üblichen Mühlen ist aktuell keine Zeit. Für mich wird jedenfalls durch die vielen Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen immer klarer, dass Corona mehr und mehr zur sozialen, emotionalen und wirtschaftlichen Krise wird.

Rundschau: Im Bundestag wird weiter getagt. Anderswo gelten fast nur noch Kontaktbeschränkungen & Co. Ist das kein Widerspruch?

Lindh: „Der Parlamentsbetrieb ist stark reduziert, aber ich verstehe, wenn diese Frage gestellt wird. Wegen der verfassungsrechtlichen Vorschriften müssen allerdings Gesetze und einzelne Verordnungen ,in Anwesenheit’ debattiert und beschlossen werden. Das gilt auch für all die Rettungspakete, die wegen Corona nötig sind. Im Parlament wird die Basis dafür gelegt, dass wir die Krise rechtlich bewältigen. Deshalb kann von uns Abgeordneten erwartet werden, dass wir in Berlin präsent sind und tagen. Das empfinde ich als unsere Pflicht. Die Gesetzgebung darf nicht Pause machen, nur weil wir uns nicht treffen wollen. Die Menschen, die beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel arbeiten, können sich ja auch nicht ins Digitale oder ins Homeoffice zurückziehen.“

Rundschau: Sind digitale Politik-Konferenzen kein Weg?

Lindh: „Wie gesagt, ist unsere Verfassung für eine Situation wie diese nicht gemacht, und fordert in vielen Fällen immer noch echte Anwesenheit. Viele Ausschüsse laufen allerdings schon digitalisiert. Aber der Bundestag hat noch viel Nachholbedarf in Sachen sicherer Digitalisierung. Im Innenausschuss beispielsweise geht es immer wieder auch um Geheimhaltungsgrad-Themen. Da müsste 100-prozentig dafür garantiert werden können, dass niemand an der digitalen Konferenz teilnimmt, der dort nichts zu suchen hat.“

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