„Gleis 1“ feiert Jubiläum Seit 25 Jahren Überleben sichern

Wuppertal · Angefangen hat alles mit einem Bus. Der Konsum von Heroin nahm zu, die „Platte“ am Döppersberg entwickelte sich – „und es war klar, wir müssen hier etwas tun“, blickt die gelernte Krankenschwester Heidi Reimann zurück auf den Zeitpunkt vor 25 Jahren, als die heutige Suchthilfe „Gleis 1“ anfing, mobil an der Alexanderbrücke den Drogenabhängigen Eintopf zu servieren.

 Auf den bunten Steinen an der Hauswand hinter der „Gleis 1“-Einrichtungsleiterin Klaudia Herring-Prestin stehen Namen derjenigen Menschen, die ihre Sucht nicht überlebt haben.

Auf den bunten Steinen an der Hauswand hinter der „Gleis 1“-Einrichtungsleiterin Klaudia Herring-Prestin stehen Namen derjenigen Menschen, die ihre Sucht nicht überlebt haben.

Foto: Wuppertaler Rundschau/flo

Zum Eintopf gab es im bunt angesprayten Drogenhilfe-Bus frische Spritze, Verbandszeug und ein Gespräch. Damals saß Heidi Reimann mit zwei weiteren Mitstreitern in der mobilen Station, heute arbeitet sie mit zwölf weiteren Kollegen in dem Haus direkt neben den Bahngleisen oberhalb der Kluse. Nach ein paar Monaten im Bus zog die Drogenhilfe im Dezember 1994 ins heutige „Gleis 1“, in dem das Angebot mit Duschen und Waschmaschinen ergänzt werden konnte.

Am Donnerstag, einen Tag nach der Jubiläumsfeier „25 Jahre Gleis 1“, ist im Café der Suchthilfe einiges los. Cola, Tee, Brötchen oder Teilchen – zum 25. Jubiläum kostet zwei Tage lang alles nur 25 Cent, bis auf das Frühstücksei, das gibt es sowieso immer für 10 Cent. Über der Theke hängen zwei große, silberne Luftballons in Form einer 25, die an das Jubiläum erinnern. Gegenüber können benutzte gegen frische Spritzen getauscht werden, ein Glas Kondome lädt zum Zugreifen ein, in der Ecke steht ein öffentlicher Computer. Es riecht nach Kaffee und ein bisschen nach ungewaschenen Körpern. Der Boden vibriert jedes Mal, wenn ein Zug unmittelbar am Haus vorbeirauscht. Klaudia Herring-Prestin arbeitet seit 2001 im „Gleis 1“, mittlerweile als Einrichtungsleiterin. Fragt man am Tresen nach Frau Herring-Prestin, erntet man irritierte Blicke – bis ein Gast von links einwirft: „Das ist die Klaudia!“ Im „Gleis 1“ wird jeder geduzt.

Klaudia trägt einen bunten Schal und ein einnehmendes Lächeln im Gesicht. Sie führt durch das Café vorbei an der Kleiderkammer und den Duschen zu den Drogenkonsumräumen. Hier sitzen Heidi und ein Arzt, achten darauf, wer kommt und wer geht, dass alles glatt läuft und dass nur konsumiert wird, was erlaubt ist. Heroin, Kokain, Amphetamin und Methamphetamin werden in zwei getrennten Räumen geraucht oder gespritzt. Von 10 bis 16 Uhr hat das „Gleis 1“ geöffnet, bis kurz vor 15 Uhr haben heute bereits 105 Süchtige den Konsumraum aufgesucht. „60 davon in den ersten zwei Stunden“, sagt Heidi.

Mit dem Drogenkonsumraum bewegt sich die Einrichtung auf dem Boden des Betäubungsmittelgesetzes. „Erwerb und Besitz der Mittel sind illegal“, erklärt Klaudia. Aber der Drogenkonsumraum im „Gleis 1“ ist ein geschützter Raum. Seine Aufgabe? „Überleben sichern.“ Wer Drogen konsumiert, kauft sie auf dem Schwarzmarkt, ohne Kontrollen, ohne Standards. „Da kann viel schief gehen.“ Wer im Konsumraum spritzt, spritzt sozusagen unter medizinischer Aufsicht.

Einige der Besucher des „Gleis 1“ sind wohnungslos, ein Großteil nutzt den geschützten Raum, weil der Konsum im privaten Umfeld nicht akzeptiert wird, und in der Öffentlichkeit schon gar nicht. Sozialarbeiter und Suchtberater des „Gleis 1“ sind täglich vor Ort und helfen bei Problemen mit dem Jobcenter, wenn der Ausweis verloren gegangen ist oder bei der Bewältigung des Alltags während einer Substitutionstherapie, einer Drogenersatztherapie. „Die Sucht des Körpers wird durch die Behandlung befriedigt, aber nicht der Kopf“, erklärt die Einrichtungsleiterin die „Nebenwirkung“ der Behandlung, mit denen ihre Klienten oft nicht umzugehen wissen.

Auf die Frage nach Problemen und Kritik, denen sich das „Gleis 1“ in 25 Jahren stellen musste, antwortet sie: „Eine Einrichtung wie unsere muss politisch gewollt sein und von der Öffentlichkeit akzeptiert.“ Zu großen Teilen ist sie das in Wuppertal auch. Wenn es dann doch mal zu Beschwerden durch unmittelbare Anwohner kam, moderierte die Stadt zwischen den Parteien.

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