Interview: Ioannis Stergiopoulos über Griechenland-Krise und Referendum "Ein Spiel mit dem Feuer"

Wuppertal · Der SPD-Stadtverordnete Ioannis Stergiopoulos ist stellvertretender Vorsitzender der Gemeinde der Griechen in Wuppertal. Vor dem für Sonntag (5. Juli 2015) geplanten Referendum zu den EU-Sparvorgaben sprach er mit Rundschau-Redakteur Roderich Trapp über die Situation in der krisengeschüttelten Heimat —und über die Stimmungslage bei den Griechen im Tal.

Die Krise in Griechenland hat sich extrem zugespitzt. Was hören Sie über die Lage vor Ort?

Es sieht ziemlich dramatisch aus, die Leute machen sich große Sorgen. Es gibt da Menschen, die hungern jetzt. Die Szenen vor den Schaltern, wo Rentner ohne Kontokarte ihr Geld abheben wollten und wenn überhaupt nur 120 Euro bekamen, hat ja jeder gesehen. Und keiner weiß, was Montag passiert.

Weil der Ausgang der Volksabstimmung über die EU-Sparvorschläge völlig ungewiss zu sein scheint. Mit welchem Votum rechnen Sie persönlich?

Ich hoffe auf ein "Ja" zu Europa, denn wer mit dem Gedanken an ein "Nein" spielt, der spielt mit dem Feuer. Aber wenn man sich den Stimmzettel zum Referendum anguckt, muss man sich schon wundern. Die Übersetzung der EU-Vorschläge versteht kein Mensch, dafür muss man schon studiert haben. Und dann kommt als erste Antwortmöglichkeit das "Nein". Da könnte man schon böse Absicht vermuten. Es gibt zum Ausgang alle möglichen Umfragen aus verschieden Quellen mit entgegengesetzten Ergebnissen. Aber was der Wähler daraus macht, weiß man nicht, zumal die Stadtbevölkerung die Lage sicher anders sieht als die Menschen auf dem Land oder auf Inseln, wo gerade die Hochphase des Tourismus läuft.

Wie ist denn die Stimmungslage der Griechen Wuppertal, was das Referendum angeht?

Ich habe schon den Eindruck, dass die Mehrheit für Europa ist. Ein "Ja" heißt für sie aber nicht, dass man so weitermachen kann wie bisher. Es darf doch nicht sein, dass es im Jahr 2015 in einem EU-Land Suppenküchen gibt und ein Rentner von 300 oder 400 Euro im Monat auch noch seine erwachsenen Kinder ernähren muss. Soziale Sicherungen wie Arbeitslosengeld II gibt es für sie ja in Griechenland nicht. Griechenland importiert als Agrarland inzwischen sogar Tomaten aus Spanien, weil die Bauern EU-Geld dafür bekommen haben, ihre Felder brach liegen zu lassen. Da stimmt doch was nicht.

Mal politisch gefragt: Wie schätzen sie die Partei Syriza und die Regierung ein?

Grundsätzlich ist die Syriza ja ein Bündnis aus radikalen und gemäßigten linken Gruppierungen. Wer da die Oberhand hat, ist schwer zu durchschauen. In der Regierung kommt dann mit den "Unabhängigen Griechen" noch eine Rechtsaußen-Partei als Koalitionspartner dazu. Wie man sowas zusammenführen will, weiß ich nicht. In den fünf Monaten seit ihrer Wahl hat die Regierung jedenfalls nichts gemacht. Mit dieser Entwicklung habe ich nicht gerechnet. Es scheint, als hätte man die Sache bewusst eskalieren lassen, um jetzt zu sagen: "Wir haben keine Lösung, also lasst uns mal das Volk fragen." Ganz abgesehen davon, dass die Sparvorschläge ja gar nicht mehr zur Diskussion stehen.

Würden Sie eigentlich einem Wuppertaler noch raten, diesen Sommer in Griechenland Urlaub zu machen?

Natürlich! Denn damit hilft man der Bevölkerung. Am Tourismus hängt vieles dran. Und man leistet ja auch einen guten Beitrag zur deutsch-griechischen Freundschaft, wenn man sein Geld in der Krise nicht in einem anderen Land ausgibt. Sorgen machen muss man sich da nicht.

Dazu die aktuelle Umfrage (bis 7. Juli 2015, 11 Uhr): hier klicken!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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