Daniel Keita-Ruel: „Zweite Chance. Mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifußball“ Offen und ehrlich – 218 Seiten lang

Wuppertal · Der 1989 in Wuppertal geborene Daniel Keita-Ruel erzählt mit dem Titel „Zweite Chance. Mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifußball“ sein bisheriges Leben. Das stand kurz davor, mindestens nationalen Star-Ruhm zu bringen, nahm dann aber eine ganz andere Richtung. Aus eigener Dummheit. Keita-Ruel zeigt, wie es (aus eigener Kraft) geklappt hat, das Blatt wieder zu wenden.

 „Ich war ein verantwortungsloser Dummkopf und habe es geschafft, das heute nicht mehr zu sein“, sagt Daniel Keita-Ruel über sich selbst. Sein Buch „Zweite Chance“ ist sozusagen die Langversion dieses kurzen Satzes.

„Ich war ein verantwortungsloser Dummkopf und habe es geschafft, das heute nicht mehr zu sein“, sagt Daniel Keita-Ruel über sich selbst. Sein Buch „Zweite Chance“ ist sozusagen die Langversion dieses kurzen Satzes.

Foto: Kiepenheuer und Witsch

Als der zu dieser Zeit nicht nur in seiner Heimatstadt schon ziemlich bekannte Daniel Keita-Ruel im Herbst 2011 mit etlichen Komplizen in Wuppertal wegen der Beteiligung an mehreren Raubüberfällen verhaftet wurde, war das ein ziemlich großes Ding. Beträchtliche Medienaufmerksamkeit garantiert. Ebenso wie bei der bis dahin erstaunlichen Karriere des Jungen von der Nevigeser Straße, der es von den Bolzplätzen rund um sein Viertel bis in die Jugendmannschaft des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach geschafft hatte.

Der Sohn eines senegalesischen Vaters und einer französischen Mutter, die in Wuppertals Partnerstadt St. Etienne studiert hatte, war als torgefährlicher Stürmer bei Borussia Wuppertal sowie beim WSV schon vielen Beobachtern aufgefallen – und stand am Beginn einer großen Karriere. All das – sowie den für viele seiner Freunde und zahlreiche andere Menschen völlig unbegreiflichen Absturz ins kriminelle Milieu – schildert Keita-Ruel auf 218 Seiten eines ehrlichen, offenen und sehr gut lesbaren Buches.

Der Mann, der zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, im Gefängnis intensiv weiter trainierte, nach drei Jahren in den offenen Vollzug wechseln durfte und dort einen Vertrag beim SC Ratingen bekam, dann mehrere weitere Stationen in NRW absolvierte, ist heute in der 2. Bundesliga bei Greuther Fürth aktiv.

Mit seinem ersten Spiel für die Franken, in dem er zwei Tore macht, beginnt das Buch. Ab da wird „rückwärts“ erzählt – minutiös, exakt und, wie schon gesagt, offen und ehrlich. Daniel Keita-Ruel, der heute mit seiner ganz persönlichen Story in Schulen und vielen anderen Einrichtungen unterwegs ist, um Jugendlichen mit seiner Lebensgeschichte ein Stück Live-Beratung ohne erhobenen Zeigefinger zu liefern, arbeitet sich Schritt für Schritt durch seine Jahre.

 Unser Archivbild unten zeigt Daniel Keita-Ruel im Jahr 2011 im Einsatz für den WSV.

Unser Archivbild unten zeigt Daniel Keita-Ruel im Jahr 2011 im Einsatz für den WSV.

Foto: Dirk Freund

Dabei nimmt er seine Leser hautnah mit: Der (auch bebilderte) Text biedert sich nicht an, wird nie weinerlich, übertreibt aber auch den verlockenden coolen Jugend-Slang nicht. Insgesamt auch für alle, die wenig mit Fußball am Hut haben, gut geeignet. Und für die, die sich dafür interessieren, erst recht.

Wie hart der Weg eines jungen Menschen, dessen Charakter noch nicht gefestigt ist, in den Profifußball ist – hier wird es spürbar. Wie leicht man wegen des Kontaktes zu den sprichwörtlichen „falschen Freunden“ in einen Abwärtsstrudel geraten kann – hier wird es anschaulich. Die Kapitel zu den Überfällen sind (natürlich) die sicher spannendsten: Abstrus, wie es dazu kam. Kaum begreiflich, dass jemand, der gar kein Geld brauchte, Geldboten überfällt. Bedrückend, dass es nicht gelang, sich aus dem Kreis der Verbrecher zu befreien – und nicht klappte, die echten Freunde oder die Familie um Hilfe zu bitten.

Wuppertaler Leser werden das italienische Restaurant, in dem die Überfälle ausbaldowert wurden, kennen – ebenso alle Geschäfte, deren Geldboten die Bande beraubte. Die entsprechenden Straßen oder Stadtteile sowieso. Aber auch, wer von Wuppertal noch nie gehört hat, kann unmittelbar nachvollziehen, was da passiert ist. Der Fußballer nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er seine Schuld eingesteht – wenn er schildert, wie es dazu kam. Ein wörtliches Fazit ganz am Ende des Buches: „Es ist nicht cool, ein Arschloch zu sein.“

Gut gemacht in „Zweite Chance“: Dass immer wieder zwischen die Kapitel insgesamt 14 Texte von Menschen eingeblendet werden, die – beispielsweise als Familienmitglieder, Freunde, Trainer oder anderweitig Verantwortliche – mit Daniel Keita-Ruel zu tun hatten. Auch hier werden offene Worte gesprochen: Ob von der Mutter, von den in Wuppertal bekannten Coaches Alfonso del Cueto oder Peter Radojewski, von Mönchengladbach-Manager Max Eberl oder auch von einem Düsseldorfer Justizvollzugsbeamten. Ganz unterschiedliche Sichtweisen. Fast alle davon jedoch grundsätzlich sehr positiv – und oft mit der Prognose, dass für Keita-Ruel mit der 2. Bundesliga der Weg zurück aus dem „Loch“ trotz eines Alters knapp über 30 noch nicht zu Ende sein müsse.

Wer „Zweite Chance“, das Daniel Keita-Ruel zusammen mit Harald Braun geschrieben hat, liest, lernt viel über Fußball, über die Folgen falscher Entscheidungen, über das sehr eigen tickende Justizwesen und den Knast. Außerdem darüber, dass es nicht leicht ist, aber sich lohnt, einem Traum trotz aller Widrigkeiten treu zu bleiben. Wenn man ehrlich zu sich selbst und zu den anderen ist.

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