Osterbotschaft der christlichen Kirchen Österlicher Perspektivwechsel

Wuppertal · Wir dachten, es wäre vorbei mit Gewalt und militärischer Eskalation in unserem Europa. Wir dachten, die Freiheit ist ansteckend und die Unterdrückung verliert. Wir dachten, Frieden wird stabil und der Krieg würde hier eine Sache von gestern. Aber die Welt ändert sich offenbar nicht, was Gewalt und Hass angeht. Man möchte resignieren. So klingt es durch Unterhaltungen, in Talkshows, in vielen Gesprächen auch in unseren Kirchengemeinden.

 Wuppertals evangelische Superintendentin Ilka Federschmidt und der katholische Stadtdechant Dr. Bruno Kurth.

Wuppertals evangelische Superintendentin Ilka Federschmidt und der katholische Stadtdechant Dr. Bruno Kurth.

Foto: Daniel Edlauer

Sonntag feiern wir Ostern – das Fest der Hoffnung? Wir dachten … Dieser Seufzer ist so alt. Und er gehört zu Ostern – so wie Ostern zu diesem Seufzer gehört. Ganz ähnlich klingt es in einer bedrückten Unterhaltung zweier Freunde auf dem Weg von Jerusalem in das kleine Dorf Emmaus vor bald 2.000 Jahren, erzählt in der Bibel, im Lukasevangelium. So alt, und doch so aktuell.

„Wir aber dachten …“ so reden sie. Wir dachten, die Erlösung ist nahe. Die Befreiung Israels von Besatzung und Unterdrückung durch die Großmacht Rom. Endlich Friede. Freiheit. Endlich ein Ende der Tränen und der Seufzer. Aufatmen. Wir aber dachten: Er würde unser Volk erlösen.

Er. Gemeint ist Jesus von Nazareth. Erhofft, ersehnt, geglaubt als Gottes Messias, als Erretter und Befreier, der Gottes Friedensherrschaft aufrichtet. Und nun bittere Enttäuschung, Schmerz, Resignation. Erst drei Tage ist seine Hinrichtung durch römische Soldaten am Kreuz vor Jerusalem her. Fremde Soldaten, im ganzen Land. Mit seiner Botschaft von der Liebe und der Gerechtigkeit, vom Frieden Gottes ist er gescheitert. Mit ihm ihre Hoffnung.

So beginnt damals ihr Ostermorgen. Sie waren Jesus gefolgt in ein neues Leben. Jetzt geben sie die Hoffnung auf, sind zurück auf dem Weg in ihr altes Leben, ergeben sich in das Schicksal. Ein vermeintlich Fremder stößt zu ihnen, mischt sich in das traurige Gespräch. Schritt für Schritt nimmt er sie mit in einen Perspektivwechsel. Ist es wirklich ein Scheitern, was geschehen ist? Oder war der Weg ihres Hoffnungsträgers nur ein konsequenter Weg der Liebe Gottes, wenn denn wirklich Bosheit und Gewalt überwunden werden sollen?

Liegt nicht, so fragt er sie, eine große Macht in diesem Weg, dass Jesus sein Leben hingegeben hat? Hat er das nicht bewusst getan? Wir ahnen etwas von dieser besonderen Macht, wenn Menschen wie der gewaltlose Bürgerrechtler und Baptistenprediger Martin Luther King uns ein Vorbild sind. Und berührte es die Älteren unter uns nicht besonders, als im „Prager Frühling“ Menschen Blumen in die Gewehrläufe sowjetischer Soldaten steckten und sich wehrlos und gewaltlos Panzern in den Weg stellten?

Bis heute sind das Bilder einer tiefen Menschlichkeit mit großer Macht, auch wenn sie damals „gescheitert“ sind. Gerade darum doch müssen Despoten Journalisten unterdrücken, Kunst verbieten, Lieder zensieren und Gottesdienste bespitzeln – weil sie gerade diese Macht fürchten, die Herzen erreicht und verändert.

Wir aber dachten … Der Seufzer der zwei Freunde damals verwandelt sich in Jubel, als ihnen schließlich die Augen aufgehen und sie den „Fremden“ erkennen. Sie erkennen Jesus selbst. Auferstanden aus dem Tod, befreit aus dem Tod mit der Macht der Liebe Gottes. Sein Weg hat den Tod besiegt. Nicht am Leid vorbei. Nicht mit dem Triumpf mächtigerer Gewalt. Mit der Hingabe seines Lebens. Ein so ganz anderer Sieger.

Sophie Scholl, die mit 22 Jahren von den Nazis hingerichtet wurde wegen ihrer gewaltlosen Mitwirkung in der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“, schrieb 1942 in einem Brief an eine Freundin: „Jetzt freue ich mich wieder an den letzten Strahlen der Sonne, ich staune über die unerhörte Schönheit dessen, was nicht der Mensch geschaffen hat … Trotz des Schrecklichen, das geschieht. In meine bloße Freude an allem Schönen hat sich etwas Unbekanntes gedrängt, eine Ahnung nämlich von seinem Schöpfer … Deshalb eigentlich kann nur der Mensch hässlich sein, weil der den freien Willen hat, sich von diesem Lobgesang abzusondern. Und jetzt könnte man oftmals meinen, er brächte es fertig, diesen Gesang zu überbrüllen mit Kanonendonner und Fluchen und Lästern. Doch dies ist mir im letzten Frühling aufgegangen, er kann es nicht, und ich will versuchen, mich auf die Seite der Sieger zu schlagen.“

Ostern ist für Christinnen und Christen das Fest der Hoffnung, weil es die Seite der Sieger neu definiert. Es möchten die Verletzten, die Ohnmächtigen, die Sanftmütigen, die Friedfertigen sein, die in Wahrheit auf der Seite der Sieger stehen. Was für ein Perspektivwechsel! „Wir aber dachten …“: Gegen alle Resignation wünschen wir Ihnen umso mehr die kraftvolle Hoffnung des Osterfestes und, ja, in diesem Sinne: Frohe Ostern!

Ilka Federschmidt, Superintendentin
Dr. Bruno Kurth, Stadtdechant

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