Abschied von Wuppertals ev. Schulreferentin Beate Haude: „Setzt den Chat-Bots echtes Leben entgegen!“

Wuppertal · Beate Haude hat ein Vierteljahrhundert das ev. Schulreferat in Wuppertal geprägt. Kurz vor ihrem Abschied erzählt sie, wie sich der Religionsunterricht verändert hat, was Lehrkräfte heute brauchen – und was sie am meisten vermissen wird.

Beate Haude mit dem Islam-Lernkoffer aus der Mediothek.

Foto: Sabine Damaschke

Sie haben das Schulreferat 25 Jahre geleitet. Wie sah es damals aus, als Sie kamen und wie verlassen Sie es jetzt?

Haude: „Das war damals noch eine andere Welt. Lassen Sie mich das an der Frage des Umgangs mit Medien verdeutlichen. Ich weiß noch, wie mir stolz mein neues Büro gezeigt wurde und ich irritiert fragte, wo denn der PC sei. Textverarbeitung, Kommunikation per Mail, Recherchen im Netz, Datenbanken und Mediotheksprogramme waren neu. Social Media und KI gab es noch nicht.

Kommunikation per Post dauerte lang und band viel Arbeitskraft, bevor man alles plötzlich in einem Bruchteil der Zeit hinbekam. Im Religionsunterricht wurden Dias eingesetzt und Arbeitsblätter mit kopierten und eingeklebten Bildern erstellt. Musik wurde per Cassettenrecorder abgespielt und Filme mit VHS-Videokassetten. Das waren lauter Datenträger, die schon seit vielen Jahren aus Schulen und Mediotheken wie unserer rausgeflogen sind.“

Was waren für Sie die größten Veränderungen im evangelischen Religionsunterricht in diesen 25 Jahren?

Haude: „Heute hat das Bild den Text stark abgelöst. Die Hermeneutik im Religionsunterricht hat sich verändert. Kamishibais, also Bildkarten für ein Erzähltheater, und Bodenbilder sind in der Grundschule Standard beim Vermitteln biblischer Inhalte. Mehr noch aber steht aktuell die Gefühlswelt der Kinder im Vordergrund des Religionsunterrichts: Wie hat sich jemand gefühlt, der dieses oder jenes tat? Wo bekam Josef Hilfe, als er von den Brüdern verlassen wurde? Wo suchst du heute Hilfe?“

Welche Folgen hat es, wenn Emotionen stärker in den Fokus rücken?

Haude: „Der Religionsunterricht musste noch offener, vielfältiger und mutiger werden: für fromme und agnostische Kinder, für christliche und muslimische Kinder, für Kinder mit Förderbedarf. Das ist eine Riesenherausforderung für Religionslehrkräfte. Ein Unterricht muss speziell Begegnung ermöglichen, Augenhöhe und Respekt für Anderes, das man nicht annehmen muss, aber akzeptieren soll.

Außerdem ist der Seelsorge-Bedarf in den Lerngruppen größer geworden. Das hat neue Fragen aufgeworfen: Muss es ein Seelsorgegeheimnis für Religionslehrkräfte geben? Viele KollegInnen haben sich entschieden, den Schulseelsorgekurs zu machen, der im Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI) der rheinischen Landeskirche angeboten wird.“

Schulreferentin Beate Haude mit dem Programm für ihren Abschiedsgottesdienst.

Foto: Sabine Damaschke

Sie betreuen rund 300 Lehrkräfte in Wuppertal. Welche Bedürfnisse und Herausforderungen begegnen Ihnen heute am häufigsten – und wie haben diese sich über die Jahre verändert?

Haude: „Angetreten bin ich mit der eigenen Erfahrung als Religionslehrerin, dass es wichtig ist, mit Fortbildung und in Arbeitskreisen inhaltlich auf der Höhe zu bleiben. Das steht heute weniger im Vordergrund. Heute gibt es ein starkes Bedürfnis nach Ruhe und Auftanken.

Viele berichten, dass es kräftezehrend ist, mit den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder umzugehen. Soziale Defizite zu Hause sollen die Schulen ausgleichen. Gleichzeitig fehlen Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter. Das zieht sehr viel Energie.“

Auch die Mediothek im Schulreferat des Kirchenkreises hat sich gewandelt: Bücher werden weniger nachgefragt, dafür Anschauungsmaterial. Was sagt dieser Trend über die heutige Unterrichtspraxis aus?

Haude: „Mit Material kann man sich im Netz zuschütten lassen, und für irgendeinen banalen Unterrichtsentwurf zu einem Thema lässt sich KI bestens einsetzen – da braucht man weder eine Bibliothek noch Menschen. Aber ein Unterricht ist erst dann wirklich gut, wenn die Schülerinnen und Schüler das Erlebnis des Verstehens haben. Und das gelingt im modernen Religionsunterricht nicht mit einem allgemeinen KI-Entwurf. Es funktioniert, wenn die Kinder und Jugendlichen zu einem Perspektivwechsel ermutigt werden.

Das kann mit Gegenständen wie Lernkoffern funktionieren, die in der Mediothek sehr angefragt werden. Der dabei entstehende Kontakt zu einem echten Gegenüber hat schon was für sich! Deshalb ist Unterricht, der ein Miteinander praktiziert und fördert, eigentlich gelebte Christologie.“

Wenn Sie auf Ihre zahlreichen Fortbildungen zurückblicken: Welche Themen lagen Ihnen besonders am Herzen – und was möchten Sie den Lehrkräften und allen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, zum Abschied mitgeben?

Haude: „Am liebsten habe ich biblische Texte mit aktuellen Herausforderungen verbunden. Welche Geschichten thematisieren Gerechtigkeit, Frieden, Barmherzigkeit, Hoffnung, Trost? Auf was beziehen wir uns, wenn wir darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint? Gibt es Wunder? Wie kann man Christus heute begegnen?

In nahezu allen Programmen des Schulreferats stand der christlich-jüdische Dialog Pate. Und für all diese Themen fanden sich neue Methoden, Materialien, Kontaktpersonen. Wir haben viel auf Begegnung gesetzt. Die besten Fortbildungen waren aber vielleicht die, in denen die Lehrerinnen und Lehrer sich untereinander inspirierten und die Leistung des Schulreferats nur die war, dies ermöglicht zu haben.

Mein Zuruf daher: Bleibt um Gottes Willen in Kontakt! Setzt den Chat-Bots echtes Leben entgegen!“