Gravierende Mängel

Betr.: Rundschau-Artikel "Wieder mehr Obdachlose"

Mit Bestürzung habe ich die Ignoranz, mit der der Artikel bedacht wurde, aufgenommen. Stattdessen füllen Mitgefühl für das ferne Palästina (bei aller Sympathie), die B7-Sperrung und der Fund eines Smartphones die Spalten der Leserbriefe.

Zwei Dinge sind jedenfalls augenfällig und dürfen meines Erachtens auch nicht unkommentiert bleiben. Erstens: Die Überschrift der Berichterstattung suggeriert eine neue Seuche. Und so zielt der Artikel auch nur auf die unzureichende medizinische Versorgung ab. Meiner Ansicht nach eine weitere Diffamierung der ansonsten schon mit zahlreichen negativen Attributen bedachten Betroffenen. Es wird der Eindruck vermittelt, dass von Obdachlosen eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung ausgeht, und zwar gegen die Bevölkerung. Es fehlt nicht mehr viel, und Obdachlose werden zur medizinischen Untersuchung zwangsvorgeführt. Eine andere Auslegung könnte auch sein: Der Obdachlose ist unter allen Umständen am Leben zu erhalten. Im Übrigen auch die erste Präambel im Knast — nur, dass es hier um den Inhaftierten geht.

Zweitens: Ohne die genauen Hintergründe zu kennen oder die Arbeit an der Basis bewerten zu wollen, sind doch offensichtlich gravierende Mängel an der Prävention zur Abwendung oder Vermeidung von Obdachlosigkeit zu verzeichnen. Wie sonst ist dieser Anstieg zu erklären?

Dazu möchte ich Roger Willemsen rezitieren: "Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren ärmsten und schwächsten Mitgliedern umgeht."

Ich frage: Wie müssen sich diese Menschen fühlen, in einer Gesellschaft von der sie fallen gelassen und ausgestoßen wurden und von der sie nichts mehr zu erwarten haben?

Detlef Lützenkirchen, Wuppertal, Adresse der Redaktion bekannt

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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