Etwas mehr Aufbruch

Betr.: Seilbahn

Aus dem Urlaub zurück und die heimatlichen Journale durchblätternd, empfindet man das permanente Lamentieren über Ideen und Vorschläge, die Veränderungen bedeuten können, schnell als provinzielles Gezerre.

Bewundernswert dagegen Bilbao im Baskenland, eine Stadt von der Größe Wuppertals, in den 70ern noch schwer gebeutelt von der Stahlkrise, ein schmutziges, stinkendes Loch mit einer Flusskloake ähnlich der Emscher, eine Stadt, die sich heute als Inbegriff von gelungenem Strukturwandel präsentiert.

Innerhalb von 20 Jahren mauserte sich das Schwerindustriezentrum ohne Zukunft zum internationalen Hotspot für moderne Stadtarchitektur, wobei das grandiose Guggenheim-Museum als ästhetische Erscheinung alles überragt. Die Entscheidung für seinen Bau legte Anfang der 90er den Schalter um. Dazu gehörten Planungskompetenz, Verantwortungsbewusstsein, Mut zum Risiko und Entscheidungsfreude der politisch Verantwortlichen. Man hatte eine Vision, ging aber nicht zum Arzt, sondern krempelte die Ärmel auf, denn es war kein Geld da. Weder Brüssel noch Madrid haben Strukturhilfen gewährt.

Trotzdem hatte man in dieser Zeit des totalen Umbruchs noch Sinn für den Erhalt historischer Technikmonumente: Hier fährt noch die elektrische Zahnradbahn von 1890 und auch die von einem Schüler Eiffels erbaute „Schwebefähre“ hilft heute noch Fahrzeugen Fußgängern auf die andere Uferseite. Natürlich steht auch die idyllische Altstadt unter Denkmalschutz.

Im Banne dieser Urlaubseindrücke fiel mir meine Entscheidung in der Seilbahnfrage leicht. Und meiner Heimatstadt wünsche ich etwas mehr von der dynamischen Aufbruchsstimmung dieser baskischen Stadt.

Dr. Wolfgang Diepenthal

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