Leser Alte Zöpfe abschneiden

Betr.: Leserbriefe "Kosten der Allgemeinheit", Ausgabe vom 14. Februar 2018 und "Alle drei Städte?!", Ausgabe vom 10. Februar 2018)

Zu meiner persönlichen Freude gibt es Personen, denen Tradition und Fortbestand des Karnevals in unserer Stadt am Herzen liegen und sich im Zusammenhang mit nicht enden wollenden Streichungen von Zuschüssen Gedanken machen. Vielen Dank an diejenigen, die sich in der Sache öffentlich äußern und darüber hinaus konstruktive Beiträge leisten.

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass es Personen gibt, die sich offen dafür aussprechen, unseren traditionierten Karnevalsumzug zu demontieren, indem man ihn kurzerhand nicht mehr unterstützt. Sie empfinden die Bitte um finanzielle Hilfe sogar als unverschämt, wie Herr Borner Frederikson in der Ausgabe vom 14. Februar kund tut. Aber kurzerhand ein Veto dafür auszusprechen, was mich nicht interessiert, halte ich doch für sehr befremdlich. Da frage ich, wie es denn mit Polizeieinsätzen bei Fußballspielen oder Demonstrationen steht. Die ein oder andere Demonstration interessiert mich vielleicht auch nicht, aber dafür zu plädieren, dass die Demonstranten den Polizeieinsatz selber zahlen sollten, käme mir im Traum nicht in den Sinn. Es gibt immer Befürworter und Gegner von Ereignissen. Mal ist man betroffen, mal nicht, mal an einer Sache interessiert oder auch nicht.

Ich erachte es als selbstverständlich, dass die Gemeinschaft dafür einzustehen hat. Also, bitte vorsichtig mit solchen Äußerungen und erst einmal nachdenken, ob meine Forderung angemessen ist! Dass Kosten auch von denjenigen getragen werden, die keinen Anteil an einer entsprechenden Sache haben, ist Gott sei Dank Teil des Solidargedankens. An Lungenkrebs Erkrankte werden auch von der Solidargemeinschaft getragen und finanzieren ihre Behandlungen nicht über verursachungsgerechte Tabakpreise.

Aber leider ist uns das Solidarprinzip auf einer Strecke von circa drei Jahrzehnten ein wenig abhanden gekommen. Denken wir an Assekuranzverträge, die im Laufe der Jahre immer ausgeklügelter berechnet wurden. Sie haben das Prinzip bereits sukzessive ausgehöhlt. Wenn der Kfz-Versicherte Hausbesitzer ist, eine eigene Garage oder einen Stellplatz für sein Fahrzeug hat oder - noch besser - möglichst wenig Kilometer fährt, zahlt er weniger als derjenige, der diesen Kriterien nicht entspricht. Dieser Personenkreis profitiert zu seiner Freude von niedrigeren Beiträgen. Die anderen zahlen die höheren Beiträge, auch wenn nicht sichergestellt ist, dass die Elite umsichtiger fährt und weniger Unfälle verursacht, denn darum geht es letztendlich. Dieses Prinzip hat im Übrigen in der Krankenversicherung und -behandlung zu einer Zweiklassen-gesellschaft geführt. Die vom Vorteil Geküssten haben sich einen Keks gefreut, zumindest in jungen Mitgliedsjahren von niedrigen Beiträgen zu profitieren. Gesch... auf den Solidargedanken, mein Hemd ist mir schließlich näher als die Hose. Inzwischen wird das thematisiert, weil man eben merkt, dass da so einiges nicht rund läuft und man gegensteuern muss. Weitere Beispiele erspare ich mir und den Lesern an dieser Stelle.

Aber zurück zum Rosensonntagszug. Es sei der Hinweis erlaubt, dass es einerseits möglicherweise eine Minderheit - gemessen an der Gesamtbevölkerung unserer Stadt - ist, die hier Kosten verursacht, für die sie gefälligst auch alleine aufkommen soll, andererseits aber auch eine Interessengruppe darstellt, die Tradition und Kultur in die Zukunft trägt, Freude und Frohsinn pflegt und nicht vergessen lässt, was Karneval in den Herzen vieler Menschen bedeutet, nämlich Freudehaben am friedlichen gemeinsamen Feiern. Für gläubige Christen ist der Karneval bis heute das Symbol für den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor dem Osterfest. Und vergessen wir bitte alle nicht, dass die ältere Generation Zeiten erleben musste, in denen nicht gelacht und gefeiert werden konnte. Danach wurde Karneval zu einer Befreiung: Gefühle von Glückseligkeit und Unbekümmertsein - Sorgen, Angst und Nöte wurden zumindest für eine gewisse Zeit in den Schatten gestellt.

Der Ruf nach mehr finanzieller Unterstützung ist nicht ungehörig oder gar unverschämt, sondern hat seine Berechtigung. Nur so können die Umzüge facettenreicher und wieder anspruchsvoller werden, durchaus auch politisch. Dann macht es mit Sicherheit noch mehr Menschen Spaß, am Geschehen teilzunehmen.

Unser Stadtdirektor würde sich gewiss über einen Wagen freuen, auf dem er in einem kleinkarierten Schottenrock auf dem Buckel der Wuppertaler spazieren fährt. Eine solche Chance hat man beispielsweise in Zeiten der Crossborder-Verträge zu Beginn des Millenniums verschenkt. Aber jedes Jahr hält Möglichkeiten bereit, die nur darauf warten, karikiert zu werden. Das hieße dann "Wuppertaler Meckern" auf hohem Niveau und wäre nicht nur legitim, sondern gewünscht und angebracht. Hardt-Projekt, Döppersberg-Mauer, das ach so große Missverständnis mit Dezernent Panagiotis Paschalis, und, und, und.

Liebe Mitbürger, warum ist unsere Denkweise bloß so kanalisiert einseitig? Ich erlebe zu oft, dass Personen meinen, mit ihrer Darstellungsweise sei das Problem auf den Punkt gebracht und es gäbe lediglich eine Sichtweise. Dem ist nicht so! Sonne hat Schatten, grau ist nicht nur grau, sondern besteht immerhin aus schwarz und weiß und bunt setzt sich sogar aus verschiedenen Farben zusammen.

Borner Fredrikson sähe den Karneval am liebsten abgeschafft, damit er nicht zu Allgemeinkosten durch Straßensperren, -reinigung und Polizeieinsätzen herangezogen würde. Schweigen die Vereine zu solch ungeheuren Verlautbarungen? Verteidigt eure Position, indem ihr das Treiben in euren Vereinen belebt, streut mehr Begeisterung in die Öffentlichkeit, dass man wieder (positiv und anerkennend) von euch reden mag. Dass man lieber am Geschehen teilnimmt, als darüber die Nase zu rümpfen.

Für mich ist Karneval kein Auslaufmodell, nicht in unserer Zeit und nicht in unserer Stadt. Nur, wenn es aus irgendeinem Grund nicht mehr rund läuft, dann muss man sich überlegen, an welcher Schraube und in welche Richtung man drehen muss, um Veränderung zu bewirken. Dann kommen womöglich auch wieder mehr Jecken zum Zug und in eure Vereine. Vielleicht mögen viel mehr Bürger Jecken sein, als ihr denkt. Vielleicht sind ihnen die Umzüge zu provinziell, sprich klein und unattraktiv.

Möglich, dass der Wuppertaler erst mühselig aus der Reserve zu locken ist, aber nach Düsseldorf und Köln fahren kann er ja auch. Und da klappt das dann plötzlich mit der Teilnahme, dem Mitfeiern, den Karnevalsrufen. Komisch, oder?

Desweiteren greife ich den Leserbrief vom 10. Februar 2018 von Herrn Klaus Schröder auf, dem ich großen Applaus zolle. Verschiedentlich wurde angeregt, die Städte RS, SG und W in bestimmten Bereichen zusammenwachsen zu lassen, die bislang jede Stadt für sich verwaltet, aber in der Sache gemeinsam effektiver und kostengünstiger betrieben werden könnte. Eine gemeinsame Aufstellung macht auch aus Gründen deutlicherer Wahrnehmbarkeit Sinn. Versuche wurden unternommen. In manchen Fällen funktionierte das nicht, in einigen Bereichen hat das geklappt und wird erfolgreich praktiziert.

Herrn Schröders Idee, einen gemeinsamen Rosensonn- oder -montagszug zu veranstalten, finde ich großartig! Davon könnten eigentlich nur alle profitieren. Die Züge würden länger und attraktiver, deutlich größere Zuschauerzahlen, die Besucherwege in die Nachbarstädte sind nicht so weit, wie die nach Düsseldorf und Köln, Ausrichtung für jede Stadt nur alle drei Jahre und damit Kostenverteilung, gesteigerte Werbewirksamkeit, und so weiter. Die Idee ist toll!

Ihr lieben Karnevalsvereine im Tal: Warum habt ihr darüber nicht schon lange nachgedacht? Setzt euch zusammen mit den Kollegenvereinen in Solingen und Remscheid. Seid kreativ, belebt euren Karneval und macht eure Züge wahrnehmbarer. Warum nicht auch nach Solingen gehen? Das habe ich bereits mehrfach praktiziert. Oder nach Remscheid?

Reißt die Stadtmauern endlich nieder, verändert eure Denke und schneidet alte Zöpfe ab! Wir sind doch jung und dynamisch, oder etwa nicht?

Manfred Klee, Domänenweg

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