Von Leid und Verzweiflung keine Spur

Wuppertal · Mit ihrer Visitenkarte "Janis!" präsentiert sich Lena Vogt vor rund 150 Zuschauern im Theater am Engelsgarten als richtig gute Sängerin. Von der Schauspielerin sieht man leider recht wenig. Auch die Hippie-Ikone Janis Joplin bleibt seltsam fremd.

 Die Schauspielerin Lena Vogt bleibt nach ihrer „Visitenkarte“ noch etwas schemenhaft. Als Sängerin konnte die 30-Jährige in „Janis!“ aber überzeugen.

Die Schauspielerin Lena Vogt bleibt nach ihrer „Visitenkarte“ noch etwas schemenhaft. Als Sängerin konnte die 30-Jährige in „Janis!“ aber überzeugen.

Foto: Sebastian Eichhorn

Sie betritt die Bühne in schwarzer Schlaghose und lilafarbenem Paillettenoberteil, setzt sich auf den Barhocker und singt. Pur. Ganz ohne Begleitung. "Mercedes Benz", wahrscheinlich das Lied von Janis Joplin. Warm klingt die Stimme von Lena Vogt dabei und klar. Erst nach und nach steigt Stefan Leibold mit ein, gibt den Takt dazu. Dezent trägt er die Schauspielerin so durch den Song.

Der Auftakt zu "Janis!", der Visitenkarte von Lena Vogt, Neuzugang am Wuppertaler Schauspiel, gerät vielversprechend. Die 30-Jährige, die keine Gesangsausbildung absolviert, aber immer wieder musikalische Abende bestritten hat, überrascht mit einer wunderschönen, leicht countryartigen Stimme.

Eine Hommage an Janis Joplin, die Blues-Röhre, Woodstock-Legende, Hippie-Ikone und tragisches Mitglied des "Club 27", verspricht das Stück von Mark Payn, in der Inszenierung von Maik Priebe. Eine Annäherung nach dem Motto "Lena trifft Janis", ohne Kostüme oder Rollenspiel, so hatten es die Beteiligten im Vorgespräch angekündigt.

Die Begegnung zwischen den beiden Frauen geschieht durch Briefe, die Janis Joplin an ihre Familie geschrieben hat, und aus denen Lena Vogt — ebenso wie aus Tagebucheinträgen und Liedtexten — zitiert. Sie werfen Schlaglichter auf verschiedene Episoden im kurzen Leben der Musikerin, sind der rote Faden, an denen sich die Songs — 14 an der Zahl — thematisch aufreihen. Das bedeutet sehr viel Musik und wenig Text für einen Abend von 60 Minuten.

Die Idee — das Leben wie einen Blick durch ein Prisma auf die Bühne zu bringen — ist hübsch, funktioniert jedoch nicht so recht. So wird das tragische Leben der Joplin immer nur gestreift. Oftmals so zart, dass man schon Kenner sein muss, um die Andeutungen zu verstehen. Die Begeisterung etwa für das Freiheitsgefühl in San Francisco, die sich vor allem durch die unglückliche Beziehung zur Enge ihrer Heimatstadt verstehen lässt. Ihre extreme Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung, die man auch nur durch den Blick zurück nachempfinden kann. Der schon krankhafte Ehrgeiz, die Drogen, der Exzess. All das bleibt so sehr an der Oberfläche, dass einem der komplexe Charakter fremd bleibt und seltsam distanziert.

Auch musikalisch geht das Konzept von Stefan Leibold leider nicht ganz auf. Mit seiner "musikalischen Hexenküche" bringt er zwar instrumentalische und stilistische Vielfalt auf die Bühne, lässt Songs mal im Orgelgewand, mal mit Elektro-Beats erklingen, doch bleibt die Wahl der Mittel mitunter ohne Bezug zum Inhalt beziehungsweise erschließt sich nicht. Es gelingt ihm immer wieder, die Songs vom Ballast zu befreien und strahlen zu lassen — etwa bei "Cry Baby", der einen der intimsten Momente des Abend schafft. Doch das erklärte Ziel, den Blick auf Janis' Seele freizulegen, scheitert. Da, wo Janis nach Liebe schreit und fleht ("Piece of my Heart"), säuselt Lena Vogt zuckersüß und kokett ins Mikro. Von Leid und Verzweiflung keine Spur. Eine (gewagte) Interpretation, die eher vom Charakter wegführt, als in dessen Kern vorzudringen.

Am Ende erklatscht das Publikum noch eine Zugabe, was den Abend, an dem Lena Vogt mehr von ihrer (wirklich schönen) Stimme als von ihrem Schauspiel zeigen konnte, noch näher an einen Liederabend rückt als an ein Theaterstück. Aber das kann ja auch nett sein.

(nib)
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